Der wunderbare Massenselbstmord
Umstän den in einer arabischen Botschaft ums Leben gekom men. An solchem Ort zu sterben war tatsächlich nicht jedem x-Beliebigen vergönnt. Jetzt war schnelle Improvi sation vonnöten, für diesen Toten musste er eine längere und bessere Rede halten als ursprünglich beabsichtigt.
Einem Kirchenmann bleibt selten die Spucke weg, so auch nicht diesem Hilfspastor. Er räusperte sich und begann mit weit tragender Stimme die Leistungen des Toten zu würdigen. Er beleuchtete Jari Kosunens Le bensweg, auf dem es vieles gegeben hatte, das der lo benden Erwähnung wert war. Kosunen hatte von Kind heit an einen persönlichen Weitblick bewiesen, von dem seine Nächsten hätten lernen können. Sein Weg auf Erden war in vielerlei Hinsicht beispielhaft gewesen: Er war ein vorurteilsloser Mensch und ein strebsamer Charakter gewesen, seine angeborene Bescheidenheit, Aufopferung und Fantasie hatten bei seinen Mitmen schen tiefen Eindruck hinterlassen. Sein, menschlich gesehen, zu früh zu Ende gegangenes Leben war von vielen Mühen und Missgeschicken geprägt gewesen, aber mit bemerkenswerter Beharrlichkeit hatte der Verstorbene sogar schier unüberwindliche Hindernisse aus dem Weg geräumt und eine bedeutende Position in internationalen Luftfahrtkreisen erobert. Nicht einmal schwierige finanzielle Verhältnisse hatten den Kampfes willen dieses glühenden Charakters lähmen können, sondern Kosunen hatte mit der ihm eigenen Entschlos senheit die aufgetretenen Schwierigkeiten beseitigt.
Der Pastor sprach lange und bewegend. Bei seinen Worten hob Jari Kosunens Mutter ihr tränendes Gesicht und richtete den Blick nach oben. Die schmächtige Gestalt der alten Frau straffte sich, ihre Brust schwoll in stolzer Trauer. Sogar die Pflegerin aus der Nervenklinik begann zu schluchzen, und das hatte sie seit Jahren nicht getan.
Der Hilfspastor segnete den glorreichen Toten zur ewi gen Ruhe aus. Der Sarg wurde, von Gesang begleitet, ins Grab gesenkt. Nachdem die Mutter ihren Blumenstrauß niedergelegt hatte, arrangierten Oberst Kemppainen und Helena Puusaari das riesige Blumengebinde mit Dut
zenden roter Rosen und leuchtend gelber Freesien am Grab. Der Oberst machte die Ehrenbezeigung und sprach mit militärisch ernster Stimme:
»Zum Gedenken an den Wegbereiter, die anderen fol gen.«
Nach der Feierstunde führten die Sozialarbeiterin und die Pflegerin die Mutter des Toten zum Fahrzeug der Nervenklinik, das vor dem Friedhof wartete, aber die alte Frau wollte noch den Oberst begrüßen. Sie reichte Kemppainen die Hand und sagte mit zitternder Stimme:
»Herr Offizier. Vielen Dank im Namen von Jari, und grüßen Sie die Luftstreitkräfte. Es war lieb, dass Sie kommen konnten. Jari hatte sich so gewünscht, Kampf flieger zu werden.«
Der Pastor kam extra an den Bus, um noch mit dem Oberst zu sprechen. Auch er dankte der Gruppe für die Teilnahme an der Feier. Er fand, dass so ein Unfalltod immer eine traurige Sache war. Noch trauriger war es, wenn, wie in diesem Falle, der Verstorbene jung gewesen war und eine viel versprechende Karriere in der Luft fahrt vor sich gehabt hatte. Der Pastor unterstrich die Abschiedsworte des Oberst. Er fand, Finnland brauche Bahnbrecher in der Luftfahrt, kühne Wegbereiter, und deshalb sei Kosunens Tod ein großer Verlust für die zivile Luftfahrt des Landes. Ein kleines Land könne es sich nicht leisten, Talente aus den eigenen Reihen zu verlieren. Besonders würdigte der Pastor die Internatio nalität des Toten, das sei ein Bereich seines Lebens, der in seiner Heimatstadt nicht bekannt sei. Seines Wis-sens, so sagte der Pastor, habe Jari Kosunen wichtige Kontakte ins Ausland unterhalten, am Schluss seines Lebens sogar zu jemenitischen Diplomaten. Die fliegeri schen Aktivitäten in den heißen und aufsteigenden Winden der arabischen Halbinsel mussten jetzt ohne den Verstorbenen weitergehen.
18
Rauno Korpela trieb die Gruppe an, einzusteigen, er sagte todernst:
»Fahren wir ab. Der Tod wartet.«
Der riesige Bus füllte sich, erwachte zum Leben, ruck-te auf dem Parkplatz des Friedhofes ein paarmal hin und her und schob sich dann in den Verkehr. Oberst Hermanni Kemppainen folgte dem Bus im eigenen Wa-gen quer durch die Stadt und über Kotkas Meeresbrük ken auf die Autobahn nach Porvoo. Korpela donnerte in einem Ritt bis nach Loviisa, Porvoo, Helsinki durch. Die Hauptstadt selbst wurde ausgespart, niemand hatte einen unmittelbaren Anlass für einen Besuch dort. Korpela
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