Der wunderbare Massenselbstmord
Bekleidungsabteilung des Konsums von Kuusamo eingegangen war. Die Frau war nämlich geschieden und nicht gläubig gewesen.
Länger als vierundzwanzig Stunden konnte die Grup pe nicht in Kuusamo bleiben, denn in Kemijärvi und Kittilä wartete noch jeweils ein potenzieller Selbstmörder auf den Gemeinschaftstransport in den Tod.
In Kemijärvi stieg der Grenzjäger Taisto Rääseikköi nen, 25, zu, der seit zwei Jahren an Halluzinationen und Verfolgungswahn litt. Verschlimmert wurde die Situation dadurch, dass sich seine Wahnvorstellungen gegen ausländische Staaten richteten und somit das Bewachen der Grenze zu einer Höllenqual machten.
In Kittilä stoppte der Bus in Alakylä, um den letzten Selbstmörder rettend aufzunehmen, den Landwirt Alvari Kurkkiovuopio. Dieser war ein vierzigjähriger Junggesel le, der sein Leben lang mit seiner Tante Lempi zusam mengewohnt hatte. Sie hatte ihn mit diktatorischer Strenge erzogen. Das Ergebnis war ein erwachsener Mann, der völlig unter der Fuchtel einer alten Frau stand. Aufmüpfigkeit wurde nicht geduldet, ebenso keine privaten Gedanken, geschweige denn selbststän dige Taten. Die Tante hatte Alvari schwer schuften lassen, und so war ihr Bauernhof denn auch der reich-ste des Dorfes. Nur zweimal hatte Alvari der Schrek kensherrschaft seiner Tante entrinnen können, das erste Mal, als er in Oulu seinen Wehrdienst abgeleistet hatte. Das war schon zwanzig Jahre her. Das zweite Mal war erst in diesem Sommer gewesen, als er dem Schick-sal die Stirn geboten hatte und erstmals in seinem Leben nach Helsinki gefahren war, zum Selbstmörder seminar in der Gaststätte Laulumiesten Ravintola.
Diesem Mann musste natürlich unbedingt die Mög lichkeit geboten werden, sich endgültig aus der häusli chen Umgebung zu lösen.
Bei den Kurkkiovuopios hatte es vergangene Woche ein prunkvolles Begräbnis gegeben, wussten die Dorfbe wohner zu berichten, als Korpela nach dem Weg fragte. Voller böser Ahnungen fuhr die Gruppe zum Gehöft, wo sie mit Staunen feststellte, dass Alvari am Leben und wohlauf war. Es war seine hartherzige Tante Lempi gewesen, die man begraben hatte.
Große Trauer zeigte Alvari nicht, obwohl seit der Be erdigung erst eine Woche vergangen war. Sein Gesicht strahlte, er wirkte erleichtert und gelassen. Er war jetzt ein freier Mann und verfügte über einen beträchtlichen Besitz. Seine Zukunft war gesichert und reizte ihn, seine Selbstmordgedanken waren dahin. Des einen Tod ist des anderen Leben.
Die Gruppe wünschte Alvari Glück und überließ ihn einer behaglichen Trauerzeit auf seinem Hof in Alakylä.
Der Oberst bat Onni Rellonen, einige Zeit sein Auto zu fahren. Er wollte zur Abwechslung bei der Gruppe im Bus sitzen. Auch Helena Puusaari stieg in den Bus ein. Der Autoverkäufer Jaakko Lämsä gesellte sich zu Rello nen. Er erklärte, sie könnten unterwegs viel Spaß ha-ben. Sie waren beide im Geschäftsleben tätig gewesen und könnten sich auf der Fahrt nach Norwegen gegen seitig die Missgeschicke erzählen, die sie in der Branche erlitten hatten. Korpela schätzte, dass man zur Nacht bereits auf norwegischer Seite sein könnte, wenn man sofort losfahren würde, was sie dann auch taten, Lap plands graue, neblige Landschaft huschte an den Bus fenstern vorbei. Rentiere standen gleichgültig an der Straße. Auf den Feldern duckten sich Heureuter im Regen.
Helena Puusaari erzählte, dass diese gemeinsame Fahrt sie ein wenig an einen bestimmten Roman von Pentti Haanpää erinnere. Der Roman heiße »Der Winter-tourist«, und darin werde erzählt, wie mehrere Men schen in Autos nach Norden fahren.
»Die beschriebene Reise hatte irgendwie schrecklich bedrückend gewirkt, wohl wegen der furchtbaren Fröste, die im Buch beschrieben wurden. Überhaupt finde ich, dass Haanpää ein Schriftsteller der dunklen Töne ist«, plauderte Helena Puusaari.
Von den hinteren Reihen rief jemand, dass »Der Win tertourist« nicht von Haanpää stamme, sondern Veikko Huovinen der Autor sei.
Darüber wurde eine Weile diskutiert, aber man kam zu keinem eindeutigen Ergebnis. Einigkeit herrschte jedoch darin, dass »Der Wintertourist« kein ganz glaub würdiger Roman war. Niemand wäre so verrückt, bei den schrecklichen Frösten, die im Buch gewiss großartig beschrieben werden, in den Norden zu fahren.
Im Hotel am Pallastunturi aßen die Reisenden Ren tiergeschnetzeltes. Gleichzeitig war dies die Gelegenheit, die endgültige Stärke der Gruppe
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