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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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erklärte, dass nichts dagegen ein­ zuwenden sei, wenn die Finnen nur mutig genug seien, nachts in den Park zu gehen. Den hatten nämlich Hun­ derte einheimischer Drogensklaven für sich okkupiert, sie besetzten das Gelände nachmittags und spektakelten die ganze Nacht dort herum. Der Polizist empfahl dem Oberst, sich lieber eine andere Schlafgelegenheit zu suchen.
    Da keine anderen Quartiere frei waren, wurden das Zelt, das Bettzeug und das von der Rauferei in Walsrode übrig gebliebene Brennholz mit vereinten Kräften über die Fußgängerbrücke zum Platzpromenade-Park ge­ schleppt, zur Nordspitze, wo sich die beiden Flüsse zu einem breiten Gewässer vereinten. Sie bauten das Zelt auf und entzündeten ein kleines Lagerfeuer.
    Die eigenmächtige Besiedelung des Platzes rief minde­ stens hundert im Drogenrausch jämmerlich taumelnde junge Männer und Frauen herbei, die drohend erklär­ ten, dass auf dem von ihnen okkupierten Gelände kein anderer Sterblicher etwas zu suchen hatte. Sie kündig­ ten an, dass sie die Reisegesellschaft auf jeden Fall ausrauben und töten würden. Die Leichen könnten dann morgens von der Polizei und der Stadtreinigung abtransportiert werden, so wie es auch mit ihren eige­ nen Drogentoten jeden Morgen geschah.
    Die Finnen erklärten, dass sie vom hohen Norden durch ganz Europa bis hierher gereist waren und nicht die Absicht hatten, die Nacht auf den Straßen Zürichs zu verbringen, wenn hier ein passendes Gelände frei
    war. Sie versprachen, nur friedlich zu schlafen, ohne die Narkomanen zu stören. Als vernünftiges Reden nichts fruchtete, knurrten der Oberst und die anderen Männer ein wenig und erzählten, dass sie aus Finnland seien. Darauf lichteten sich die Reihen der Narkomanen schon mal, und auch die Letzten von ihnen begannen genauer über die Sache nachzudenken, als sie den Bericht der Reisenden von der Schlägerei im deutschen Walsrode gehört hatten. Uula Lismanki teilte an seine Mitstreiter blutbeschmierte Birkenscheite aus.
    Diese kleine Geste führte dazu, dass die Anführer der Narkomanen ihre Drohung in eine Entschuldigung umwandelten und den Finnen zusicherten, dass sie auf der Landspitze so viele Nächte verbringen dürften, wie sie Lust hätten. Die Narkomanen erklärten ihr feindseli­ ges Verhalten damit, dass sie gewohnt waren, sich ge­ waltsam das Geld für die Drogen zu beschaffen, und dass sie außerdem auf dieser Welt nichts zu verlieren hatten. Sie waren ein zum Tode verurteiltes Volk, sie hatten keine Zukunft, nur diese elende Gegenwart.
    Die Finnen verrieten jetzt, dass es ihnen nicht besser ging. Auch sie waren ohne Zukunft. Sie hatten vor, in den Schweizer Alpen Massenselbstmord zu begehen. Es erübrigte sich also, ihnen rührende Geschichten vom Tod zu erzählen, wenn jemand darüber Bescheid wuss-te, dann sie.
    Im Ergebnis der Verhandlungen wurde über den Platzpromenade-Park eine Demarkationslinie gezogen, hinter die sich die Drogensklaven zurückzogen, und diesseits der Linie verblieben dreißig finnische Anonyme Sterbliche. Die Narkomanen versprachen, südlich der Grenze zu bleiben, aber trotzdem beschloss der Oberst, Wachen aufzustellen. Als Freiwillige meldeten sich Ren­ tiermann Uula Lismanki und Kapitän zu Lande Mikko Heikkinen, der sich als Nachtgetränk ein paar Flaschen Weißwein bereitstellte. Uula nahm sich als Zeitvertreib ein Päckchen Spielkarten und für den eventuellen Hun­ ger gesalzene Maränen mit.
    In der Nacht stieg vom Fluss Limmat feuchter Nebel auf, der im Lichtkreis der Straßenlampen und des La­ gerfeuers wunderschöne Ringe bildete. Von jenseits der Demarkationslinie drang das trostlose Spektakel der Drogensklaven herüber, aber in das Lager der Finnen wagten sie nicht einzudringen.
    Uula Lismanki und Mikko Heikkinen begannen, Stud-Poker zu spielen, dabei wurde die erste Karte verdeckt hingelegt, die weiteren vier jedoch offen. Nach jeder offen gelegten Karte konnte der Einsatz gesteigert werden.
    Anfangs setzten sie Geld ein. Als der Kapitän zu Lan-de seine Barschaft verspielt hatte, schlug er vor, um höhere Einsätze zu spielen. Er war wie gewöhnlich betrunken, und auch Uula war nicht nüchtern, sodass es beide reizte weiterzuspielen. Heikkinen wollte, dass die ganze im Zelt schnarchende Gruppe oder zumindest ihre unbedeutendsten Mitglieder, als Einsatz dienten. Dies würde keine Scherzrunde werden.
    »Spielen wir um ihre Seelen!«
    Sie vereinbarten, dass der Kapitän über die Selbst­ mörder aus den

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