Der wunderbare Massenselbstmord
versicherten, dass sie ohne Murren am Massenselbstmord teilnehmen wollten, von dem sie hofften, dass er recht bald geschehe. Sie sahen ein, dass sie gutgläubige Närrinnen gewesen waren, und die ganze Sache war ihnen unendlich peinlich.
Helena Puusaari tröstete ihre gefallenen Schwestern und sagte ihnen, dass sie sich wegen des Geschehenen keine Gedanken mehr machen sollten. Es war ja nichts wirklich Schlimmes passiert, und zumindest hatten sie die vergangene Woche im fremden Land in vollen Zügen genossen. Darüber sollten sie froh sein. In gelöster Stimmung wurde das Abendessen ganze drei Stunden fortgesetzt.
Am Morgen erschien Korpela im Hotel und verkünde te, dass der Bus gewartet, voll getankt und zur Abfahrt bereit sei. Korpela breitete den Straßenatlas auf dem Tisch aus und zeigte mit dem Finger die Strecke von Colmar zur Grenze und weiter nach Zürich. Zwei, drei Stunden werde man dafür brauchen.
Alle verließen gemeinsam das Hotel und traten auf den Platz vor dem katholischen Dom, wo der Bus von Korpelas Todes-Linien wartete. Aus der Kirche drang getragener Männergesang. Die Frühmesse war im Gan-ge. Oberst Kemppainen schlug vor, dass Helena Puusaa ri ihre gefallenen Mitschwestern hineinführte, damit sie dem Gottesdienst lauschten, was nach ihren jüngsten Heldentaten vielleicht nicht schadete.
Die Frauen gingen tatsächlich in die gotische Kathe drale, kamen aber nach zwei Minuten mit hochroten Gesichtern herausgestürzt und strebten im Laufschritt zu Korpelas Bus.
Unterwegs erzählte Helena Puusaari, dass in der Kir che lauter streng dreinschauende Landfrauen mit ihren betreten aussehenden Männern gesessen hatten. Letzte re hatten Abbitte geleistet für ihre Sünden der vergan genen Woche, in der sie sich mit schwedischen Huren vergnügt hatten.
29
Korpelas Bus samt Passagieren traf am Morgen des ersten August in Zürich ein. In der Stadt wurde gerade das Kartoffelerntefest gefeiert. Aus den kartoffelprodu zierenden Kantonen war die Landbevölkerung gekom men, um ihre Ernte zu feiern. Diese war dem Verneh men nach hervorragend ausgefallen. Der Sommer war sonnig und windstill gewesen, die Kartoffelfäule war den Äckern ferngeblieben, und deshalb waren alle glücklich. So mancher hält die Schweizer für recht einfache Vertre ter der Alpenrasse, aber man kann sagen, was man will, von Kartoffeln verstehen sie etwas.
Wegen des Festes war die ganze Stadt voller jubelnder Kartoffelproduzenten. Die Hotels waren schon seit Wo chen ausgebucht, die Straßen waren mit Autos zuge parkt, in den Kneipen und auf den Fußgängerboule vards herrschte Gedränge. Korpela fuhr ans östliche Ufer des Flusses Limmat, der durch die Stadt floss, und parkte seinen Bus nahe beim Universitätshügel. Die Anonymen Sterblichen zerstreuten sich in kleine Grup pen und machten sich zu Fuß auf, diese reiche und schöne Stadt zu erkunden, in der das Geld der Welt auf geheimen Konten in den Gewölben der Schweizer Ban kiers schlummert. Bevor sie auseinander gingen, verab redeten sie, sich abends um sieben Uhr wieder am Bus zu treffen.
Oberst Kemppainen brachte zunächst gemeinsam mit Helena Puusaari die drei Herumtreiberinnen vom Elsass in die Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten, die sich im Gebäude der Medizinischen Fakultät der Univer sität befand. Dort sollten sie sich untersuchen lassen. Der Oberst forderte sie jedoch auf, ebenfalls abends um sieben Uhr zum Bus zu kommen, damit sie zusammen mit den anderen übernachten konnten.
Die von Oberst Kemppainen angeführte Gruppe be suchte das Kunstmuseum, in dem zufällig Salvador Dalis gesamtes Werk ausgestellt war, Hunderte groß formatiger Bilder. Die Betrachter waren beeindruckt. Sie waren sich darin einig, dass Dali schon in seiner Jugend verrückt gewesen war, allerdings auf geniale Weise. Mit zunehmendem Alter war er immer verrückter geworden.
Den Rest des Tages verbrachten Helena Puusaari und Oberst Kemppainen damit, durch Zürichs Straßen zu flanieren, in Straßencafés zu sitzen und den endlosen Strom der Kartoffelbauern zu bewundern. Um dem Gewühl für eine Weile zu entrinnen, fuhren sie mit dem Taxi einige Kilometer bis nach Fluntern, wo sich der gepflegte Friedhof der Stadt befand. Helena Puusaari sagte, dass sie in ihrem Leben schon viele Friedhöfe gesehen habe, da sie sich dafür interessiere, aber noch nie sei einer so sauber wie dieser gewesen. Der Friedhof war ein Musterbeispiel schweizerischer
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