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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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dem Land auszuweisen. Die Frauen mussten Colmar innerhalb von vierundzwanzig Stunden verlassen.
    Helena Puusaari entschuldigte sich offiziell beim Poli­ zeichef und zugleich beim französischen Staat für das Verhalten ihrer Landsleute. Oberst Kemppainen schloss sich der Entschuldigung an und erklärte sich bereit, die Frauen in seine Obhut zu nehmen und innerhalb der gesetzten Frist über die Schweizer Grenze zu schaffen. Er gab zu verstehen, dass seine Gruppe in den Schwei­ zer Alpen etwas Wichtiges zu erledigen hatte.
    Die gefallenen Frauen wurden ins Dienstzimmer des Polizeichefs geführt. Sie wirkten völlig erschöpft und verkatert. Ihre Kleidung war ramponiert, und ihre Strümpfe hatten Löcher. Ihr Make-up hatte sich bei dem wilden Leben aufgelöst, auch hatten sie kein Reisege­ päck mehr. Der Polizeichef überreichte Helena Puusaari ihre Pässe und bat die Delinquentinnen, die Ausweisung zu unterschreiben. Er sagte ihnen, dass sie in den nächsten fünf Jahren nicht auf französischem Boden willkommen waren.
    Der peinliche Auftritt war zu Ende. Oberst Kemppai­ nen und Helena Puusaari brachten ihre verirrten Schäf­ chen ins örtliche Hotel, wo sie sich reinigen und ausru­ hen konnten. Dann wurde zu Abend gegessen, und dabei berichteten Lisbeth Korhonen, Hellevi Nikula und Leena Mäki-Vaula von den einzelnen Etappen ihres Ausreißerlebens.
    Sie waren vom Schwarzwald aus getrampt und dabei mühelos auf die französische Seite gelangt. Gleich in der ersten Kleinstadt, Ostheim oder so ähnlich hatte sie geheißen, war der Empfang außerordentlich reizend gewesen. Sie hatten in den örtlichen Weinstuben eroti­ sche Herrenbekanntschaften gemacht, und der Sekt war dabei in Strömen geflossen. Sie hatten sich mit mehre­ ren der zuvorkommenden Weinbauern richtig ange­ freundet, und die hatten sie behandelt wie Königinnen. Sie hatten zahlreiche Dörfer und Städte besucht. Die Kavaliere hatten ihnen erzählt, dass sie gerade jetzt reichlich Zeit für Vergnügungen hatten, da es zufällig die Zeit der Winzerfeste war.
    Die nordischen Frauen waren unverzüglich zu Wein­ königinnen der Region gekrönt worden, und das hatte man entsprechend gefeiert. Die Männer hatten sie um­ schwärmt, und der Wein war in Strömen geflossen. Es war himmlisch gewesen, wenn auch recht ermüdend. Nach den Weinfesten und Fruchtbarkeitsriten, die meh­ rere Tage gedauert hatten, hatten die Finninnen mit Erstaunen gemerkt, dass sich die einheimischen Frauen ihnen gegenüber ablehnend, ja geradezu feindselig verhielten. Diese Behandlung war ihnen übertrieben erschienen, denn alle Männer, mit denen sie zu tun gehabt hatten, hatten versichert, unverheiratet zu sein. Im Elsass schien es ungeheuer viele Junggesellen zu geben.
    Es hatte auch peinliche Situationen gegeben, aber in solchen Fällen hatten die drei jedes Mal erklärt, dass sie aus Schweden stammten. Sie hatten sich sogar die Mühe gemacht, schwedische Decknamen zu erfinden. Lisbeth hatte sich Ingrid genannt, die beiden anderen waren als Synnöve und Beata aufgetreten. Alles war wunderbar gelaufen, bis die Polizei sie überraschend in Ribeauville festgenommen hatte, mitten im rauschend­ sten Winzerfest. Den angebrochenen Wein hatten sie stehen lassen müssen, als man sie in einem widerwärti­ gen geschlossenen Auto nach Colmar verschleppt hatte.
    Sie waren mehrfach vernommen worden. Man hatte ihnen gesagt, dass das Winzerfest nach hiesigem Brauch erst dann gefeiert wurde, wenn die Weinernte einge­ bracht worden war, und bis dahin dauerte es noch zwei Monate, wenn nicht sogar länger.
    Die Frauen beklagten, dass sie während ihres Aus­ flugs auch in vielen anderen Dingen belogen worden waren. Wie sich herausgestellt hatte, hatten sie haupt­ sächlich mit verheirateten Männern zu tun gehabt. Zu allem Überfluss hatte man sie für Huren der billigsten Sorte gehalten, die die Männer ohne Rücksicht auf Alter und Aussehen verwöhnten und für ihre Dienste nicht einmal Geld verlangten. Sie hatten die Preise gedrückt. Die Bewirtung, selbst wenn sie üppig war, wurde in Frankreich nicht als eigentlicher Lohn für Hurerei be­ trachtet, sondern sie gehörte automatisch dazu.
    Angesichts dieser Tatsachen äußerten die Frauen tiefe Reue und baten darum, wieder in den vertrauten und verlässlichen Kreis ihrer Landsleute aufgenommen zu werden. Sie sagten, dass ihre Lebenslust in den wider­ wärtigen Betonzellen des Colmarer Polizeigefängnisses zerronnen sei, und

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