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Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Titel: Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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die Haltung zuverändern oder die Augen zu öffnen. »Lassen Sie uns sehen, ob es mir gelingt, Ihnen ein wenig Nahrung für Ihre Gedanken zu bieten. Um den Kern meiner Philosophie zu veranschaulichen, ersuche ich Sie, sich vorzustellen, Ihnen wären die Augen verbunden und Sie wüssten nicht, wo Sie sich befinden. Sie strecken die Hände aus und gehen langsam voran, bis Sie auf eine Wand stoßen. Es könnte sich um eine einzelne Wand handeln, die Ihnen den Weg versperrt, oder sie könnte die Seite eines Raumes sein. Sie wissen es nicht. Gewiss ist nur, dass die Wand vorhanden ist. Was also tun Sie? Ich habe keine Ahnung. Was ich hingegen sehr wohl weiß, ist Folgendes: Worin Ihre nächste Handlung auch besteht, Sie erfolgt im Zusammenhang mit der Tatsache, dass Sie gegen eine Wand gelaufen sind. Vielleicht klettern Sie darüber. Vielleicht versuchen Sie, die Wand einzureißen. Vielleicht bauen Sie auch daran angrenzend ein Haus.«
    Burton und Swinburne sahen einander an, erstaunt von der Wortgewandtheit und vollkommenen Satzmelodie ihres Freundes. Und sie fragten sich gleichermaßen, wohin seine Worte führen würden.
    »Die Frage lautet nun: Wären Sie nicht die einzige Person mit verbundenen Augen, die gegen die Wand gestoßen ist – nehmen wir beispielsweise an, zwanzig anderen Personen sei es genauso ergangen –, wer von Ihnen ist dann in der Lage, das Beste aus der Situation zu machen? Ich beziehe mich damit nicht auf den Stärksten, Intelligentesten oder Einfallsreichsten. Was ich meine, ist: Wer von Ihnen besitzt zufällig die Fähigkeiten und die Einstellung, die sich am besten an den Umstand anpassen, dass Sie auf eine Wand gestoßen sind? Können Sie mir folgen?«
    »Eindeutig«, erwiderte Swinburne. »Als wir Ihnen zum ersten Mal begegnet sind, haben Sie den Ausdruck ›Überleben des Tauglichsten‹ benutzt. Darauf spielen Sie an, richtig?«
    Spencer öffnete die Augen, die seltsam glasig wirkten, und richtete einen Finger auf den Dichter. »Genau! Verwechseln Sie jedoch den ›Tauglichsten‹ nicht mit dem Gesündesten, Klügstenoder dem geeignetsten Vertreter einer sonstigen speziellen Eigenschaft. Ich verwende den Begriff in dem Sinn, wie ein quadratischer Klotz in ein quadratisches Loch ›passt‹. Der Tauglichste ist derjenige, der anlagebedingt am geeignetsten für die Bedingungen ist, die er antrifft. Es ist eine wechselseitige Beziehung: die spezielle Natur der Person, die sich der speziellen Natur der Realität stellt. Oder, wie ich sagen sollte, der Natur dessen, was Realität zu sein scheint.«
    »Zu sein scheint ?«, hakte Burton nach.
    »Richtig, denn es ist unmöglich zu wissen, ob die Realität, die man wahrnimmt, die einzige ist, die es gibt. Man kann sich nur mit dem auseinandersetzen, dessen man gewahr ist.«
    Burton runzelte die Stirn und nickte. »Wissen ist erscheinungsbedingt? Es bezieht sich nur auf den äußeren Schein – oder im Fall Ihrer Person mit den verbundenen Augen auf die anderen wesentlichen Sinne?«
    Spencer nahm wieder seine vorherige Haltung ein, indem er die Augen schloss und die Finger aneinanderlegte. »Etwas in der Art, ja, wenngleich ich damit nicht nahelegen will, dass es zwangsläufig trügerisch ist. Wir sind uns vielleicht nur eines geringen Teils der Realität bewusst, dennoch ist es Realität, wie auch immer wir sie daher wahrnehmen, diese Wahrnehmung ist gültig.
    Demzufolge postuliere ich, dass die Existenz eine laufende Anpassung von inneren Beziehungen auf äußere Beziehungen ist. Was uns zum springenden Punkt führt. Denn wenn unsere Existenz nicht von solchen Anpassungen abhinge, sondern von messbaren Attributen wie Stärke, Gesundheit und Ausdauer – und wenn die Realität in ihrer Gesamtheit bekannt und vermessen, kartografiert und geeicht wäre –, dann wäre es einfach, die Überlebenschancen einer bestimmten Person im Vergleich zu jenen einer anderen zu ermitteln. Die Eugeniker schlagen die Verbesserung der menschlichen Rasse auf einer solchen Grundlage vor. Sie irren sich. Was sie dabei übersehen, ist, dass sich die für den bestmöglichen Erfolg erforderlichen Merkmale von Person zu Person unterscheiden, dadie Realität einer Person nicht notwendigerweise jener einer anderen Person entspricht.«
    Swinburne zappelte aufgeregt auf seinem Sessel. »Ich verstehe! Ich verstehe! Ein Mensch, der ein Hindernis wahrnimmt, braucht das Geschick, darüber hinwegzuklettern, während ein anderer Mensch, der darin eine Grundmauer sieht, eher vom

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