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Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Titel: Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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gegeben, nicht mir!« Er blickte auf Swinburne hinab, der sich auf Burton stützte. »Wie fühlen Sie sich?«
    »Ich brauche einen Brandy.«
    Burton schnaubte. »Ich denke, du hattest mehr als genug.«
    »Ausgerechnet der verdammte Vincent Sneed!«, fluchte der Dichter stöhnend.
    »Herbert, Sie kommen besser mit uns nach Hause. Ich verarzte die Wunde auf Ihrer Stirn«, sagte Burton.
    Sie folgten der Edgware Road und bogen dann in die Seymour Place. Menschen rannten an ihnen vorbei, alle in dieselbe Richtung. Auch Velozipede und Hansoms rollten an ihnen vorüber und pusteten ihre Abgase in die bereits dunstige Atmosphäre, als sie vor den Unruhen flüchteten. Burton sah, wie sich ein gut gekleideter Geist in den Schwaden bildete und über das Kopfsteinpflaster auf einen Kantor zuschwebte, der an einem Laternenmast lehnte. Der Mann hatte die Augen geschlossen und nahm weder das sich ihm nähernde Nebel-Gespenst noch die Panik rings um ihn wahr, während er traurig »Molly Malone« sang:

    »Mit Fisch sie stets gehandelt hat,
    Kein Wunder, denn somit sie trat
    In ihrer Eltern Fußstapfen rein.
    Sie alle schoben den Karren einmal
    Durch Straßen breit, durch Straßen schmal,
    Und riefen: ›Fisch und Muscheln so fein!‹«
    Der Geist umflog den Mann. Einen Moment lang wurde die Erscheinung beinahe vollends sichtbar und nahm das Aussehen eines großen krummen, bärtigen Mannes an, dann verblasste sie und löste sich auf. Der Kantor verstummte, zuckte zusammen, schüttelte den Kopf und sang anschließend weiter, allerdings hatte sich sein Lied verändert, wenngleich er es nicht zu bemerken schien.

    »Wer kennt einen Mann von hehrem Herz,
    Nicht feig, oh nein, erfüllt von Mut.
    Einen, der wacker trägt Hohn und Schmerz,
    Wie’s Kenealy für Sir Roger tut.
    Endlich ein redlicher Anwalt sich fand,
    Seinen Klienten verlässt er niemals nicht,
    Er weiß um die rechte Sach’, hält stand,
    Kämpft, bis das Unrecht niederbricht.

    Drum kämpft, ihr Leute, ob arm oder reich,
    Lasst euch nicht aufhalten,
    Für Kenealy und Tichborne fordert’s sogleich:
    Gerechtigkeit muss walten!«
    »Aye!«, rief ein vorbeigehender Straßenhändler. »Ein Hoch auf den tapferen Sir Roger!«
    Verschiedene Stimmen reagierten auf seine Aufforderung. »Hurra! Hurra! Hurra!«
    »Verfluchte Oberschicht-Bastarde!«, brüllte ein Milchmann. »Mistige hochnäsige Bastarde!«
    Er bückte sich, hob einen losen Kopfstein von der Straße auf und warf ihn durch das Fenster eines Hauses.
    Burton und Herbert Spencer, die Swinburne und Fidget hinter sich herzogen, betraten die Montagu Place und erklommen weniger Meter weiter die Stufen von Hausnummer 14.
    Die Vordertür stand offen. In der Diele lag ein umgekippter Tisch, Bilder an der Wand hingen schief, und der junge Oscar Wilde, der Zeitungsverkäufer, stand im Flur und hob die Scherben einer Vase vom Boden auf. Sein Gesicht wies Striemen auf, als wäre es von Fingernägeln zerkratzt worden. Gedämpfte Schreie und ein Hämmern drangen aus dem Verschlag unter der Treppe.
    »Was ist passiert, Quips?«, stieß Burton hervor und ließ Swinburne auf einen Stuhl in der Diele plumpsen.
    »Oh, da sind Sie ja, Captain«, sagte Oscar. »Ich kam gerade vorbei und hab Wirbel aus Ihrem Haus gehört. Wie Sie wissen, langweilen mich meine eigenen Angelegenheiten zu Tode, ich ziehe die anderer Leute vor, deshalb habe ich meine Nase hineingesteckt. Anscheinend hat Ihr kleines Dienstmädchen den Verstand verloren. Sie hat Mrs Angell angegriffen, wirklich wahr.«
    »Was? Die junge Elsie? Geht es Mrs Angell gut? Wo ist sie?«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Captain, sie ist wohlauf. Sie hat sich hinunter begeben, um sich eine Weile auszuruhen. Ich habe gesagt, ich würde die Unordnung aufräumen.«
    »Danke, Quips. Du bist ein guter Junge.« Burton stellte den Tisch auf. »Gehe ich recht in der Annahme, dass du Elsie im Schrank eingesperrt hast?«
    »So ist es. War die einzige Möglichkeit, die junge Dame davon abzuhalten, das ganze Haus zu zertrümmern. Puh! Was für eine Wildkatze!«
    Burton seufzte. »Nun, sie kann dort drin bleiben, bis sie sich beruhigt hat. Ich würde ja fragen, was in Dreiteufelsnamen in sie gefahren ist, aber ich vermute, die Antwort würde ›Tichborne‹ lauten.«
    »Aye, so was in der Art. Sie hat unzusammenhängend gekreischt, aber soweit ich sie verstehen konnte, scheint sie sich einen Floh im Ohr zugezogen zu haben. Sie faselt etwas von der Unterdrückung der Arbeiterklasse.«
    »Tichborne

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