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Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Titel: Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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unbestrittene Wahrheit über die Welt hin. Chancen werden nicht erkannt. Der Wunsch nach Veränderung bleibt im Reich der Träume. Anpassungsfähigkeit wird abgewertet. Die Evolution kommt zum Stillstand.«
    Plötzlich fielen Spencers Züge in sich zusammen und verwandelten sich zu einem Ausdruck kläglichen Elends.
    »Mir geht der Dampf aus«, sagte er plötzlich mit seiner alten Stimme, diejenige, die Burton und Swinburne als die des Stadtstreichers wiedererkannten. »Mein verfluchtes Hirn kommt da nich’ mehr mit!«
    Jäh sanken seine Arme nach unten und baumelten über die Seiten des Sessels, sein Kopf kippte nach vorn, und er gab ein lautes Schnarchen von sich.
    »Grundgütiger!«, stieß Swinburne hervor.
    »Er schläft«, stellte Burton fest. »Was für ein außergewöhnlicher Mann!«
    »Sag mal, Richard, was hältst du von all dem?«
    Burton griff nach seinem Zigarrenkästchen. »Ich denke, das rechtfertigt eine Grübelei, die zwei Manilas lang währt, Algy. Bitte sitz still, während ich darüber nachdenke.«
    Stillsitzen lag dem kleinen Dichter nicht im Blut, doch er biss die Zähne zusammen, und es gelang ihm, zehn Minuten lang zu schweigen, während Spencer schnarchte und Burton rauchte.
    »Faszinierend!«, rief Burton schließlich.
    Herbert Spencer prustete, riss die Augen auf und starrte den berühmten Entdecker an. »Hallo, Boss! Hab ich etwa ’n Nickerchen gemacht?«
    »So ist es, Herbert. Passiert das immer, nachdem Sie philosophiert haben?«
    »Jawoll. Es erschöpft mein verflixtes Hirn. Wie hab ich mich angestellt? Ich hoff’, ich hab mich nicht beschämt.«
    »Beschämt?«, rief Swinburne. »Großer Gott, nein, Herbert! Sie waren überragend! Sie sind uneingeschränkt bemerkenswert!«
    Burton blies eine Rauchwolke aus und sagte: »Verzeihen Sie die Frage, Herbert – ich will Sie damit keineswegs beleidigen –, aber wieso um alles in der Welt sind Sie keine Sensation? Mit einem Intellekt wie dem Ihren sollten Sie Bücher schreiben und Gastvorträge an Universitäten halten!«
    Spencer zuckte mit den Schultern und tippte sich seitlich an den Kopf. »Wenn das Wissen eines Menschen nicht geordnet ist, dann ist seine Verwirrung umso größer, je mehr Wissen er besitzt.« Er sah Admiral Lord Nelson an und seufzte. »Ich sollte mehr wie er sein. Der hat ’nen aufgeräumten Verstand!«
    »Aber kein Wissen, Herbert«, entgegnete Burton. »Überhaupt kein Wissen. Wollen Sie damit sagen, dass Ihre Gedankengänge normalerweise eher ungeordnet sind?«
    »Jawoll, genau das. Wenn ich mich hinsetz’ und red’, is’ alles fein, aber die meiste Zeit herrscht in mein Oberstübchen ’n Heidenchaos.«
    »Hm. Ich frage mich, ob das verantwortlich dafür ist, dass Sie gegen Tichbornes Einfluss immun sind.«
    »Richard, das ergibt keinen Sinn«, hielt Swinburne dem entgegen. »Vorwiegend hat sich die Arbeiterschaft zur Unterstützung des Anspruchstellers erhoben, was nahelegt, dass sie am stärksten von dieser unbekannten Ausstrahlung betroffen ist. Wenn ein chaotischer Verstand resistent dagegen ist, würde die Arbeiterschaft einen geordneten Verstand besitzen, der Großteil der Oberklasse Londons hingegen nicht!«
    »Nein, Algy, so ist es ganz und gar nicht. Lass mich dir eine Frage stellen: Wenn du kein Dichter wärst, was wärst du dann?«
    »Tot.«
    »Ernsthaft!«
    »Das ist mein Ernst. Es gibt nichts, was ich sonst sein könnte. Ich wurde als Dichter geboren. Ich denke wie ein Dichter. Ich handle wie ein Dichter. Ich sehe aus wie ein Dichter. Ich bin ein Dichter.«
    »Na schön. Herbert hingegen hat bei unserer ersten Begegnung mit ihm deutlich gesagt, dass er keineswegs sicher sei, ob er dafür geschaffen ist, ein Philosoph zu sein.«
    »Jedenfalls kann man sich damit nich’ ’n Lebensunterhalt verdienen, so viel is’ klar«, murmelte Spencer.
    »Und was mich angeht«, fuhr Burton fort, »ich hatte nie eine klare Vorstellung von meiner Funktion in der Gesellschaft. Ich bin schon Soldat, Spion, Geograf, Dolmetscher, Entdecker, Schriftsteller und Vermesser gewesen, und jetzt bin ich ein Agent des Königs, was immer das bedeuten mag. Ich glaube, du würdest feststellen, dass die Vertreter der Oberschicht dieses Landes größtenteils das Gefühl haben, das Leben sei voller Möglichkeiten – dass es im Hinblick darauf, was sie mit ihrer Zeit anstellen können, nur wenige Grenzen gibt.«
    »Herbert hat das Wort ›eingeschränkt‹ benutzt. Willst du damit sagen, dass ein eingeschränkter Verstand ein

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