Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)
Burton. »Wir waren am Speakers’ Corner, als der Tumult begann.«
»Aha!«, rief Bendyshe vergnügt. »Also habt ihr ihn angezettelt, was? Hat der junge Swinburne einen öffentlichen Auftritt hingelegt? War das der Auslöser?«
»Es war nicht Algernons Auftritt, sondern der des Tichborne-Anspruchstellers.«
»Meiner Treu!«, stieß Milnes hervor. »Dieser Bursche sticht ja in ein regelrechtes Hornissennest.«
»So ist es. Von dort konnten wir uns zwar herauswinden, aber auf dem Weg hierher wurde uns von einer Prostituierten aufgelauert.«
Die Männer brachen in schallendes Gelächter aus.
»Ha, ha!«, schüttete sich Bendyshe hemmungslos aus. »Der beinharte Burton wird doch nicht etwa von einem fiesen Flittchen verprügelt worden sein?«
»Ich kann euch versichern, dass die Sache keineswegs zum Lachen war. Und weniger von dem ›beinhart‹, wenn ich bitten darf.«
»Sie war halb wahnsinnig«, erklärte Swinburne. »Und sie hat mit Peitschen auf uns eingeschlagen.« Er grinste und schauderte wohlig.
»Aber was um alles in der Welt habt ihr getan, um sie dazu zu bringen, mein lieber Junge?«, erkundigte sich Milnes.
»Ich wette, er hat sich von ihr verwöhnen lassen und nicht zahlen wollen«, prustete Bendyshe und zeigte auf den Dichter, dessen besondere Vorliebe stadtbekannt war.
»Keineswegs«, brummte Burton. »Wir waren unterwegs hierher und sind ohne jegliches Verschulden unsererseits hineingeraten.«
»Die ungewaschenen Massen sind verrückt geworden«, meinte Murray, der den Raum mit einer Schüssel voll warmem Wasser in den Händen und weißen Handtüchern über den Unterarmen gerade wieder betreten hatte. »Es liegt an diesem Tichborne-Burschen.«
»Ja, hat Milnes auch gerade gesagt«, erwiderte Bradlaugh.
»Der Anspruchsteller ist zu einer Art Galionsfigur geworden«, fuhr Murray fort. »Für die niederen Klassen verkörpert er alles, was schlecht an einem Adeligen ist, und alles, was gut an einem Arbeiter ist, verschnürt in ein einziges schwammiges Paket. Es istoffensichtlich absurd. Hier, wischt euch das Blut selbst ab. Ihr seht ja fürchterlich aus!«
»Ich habe den Eindruck«, sagte Burton, »dass ein Symbol nur dann solche Macht erlangen kann, wenn ein echter Wunsch danach besteht. Noch einen Portwein, bitte, Henry. Ich scheine das letzte Glas in einem Zug ausgetrunken zu haben.«
Er ergriff ein Handtuch, tauchte eine Ecke ins Wasser und begann, sich damit über das Gesicht zu reiben. Dabei schaute er zu Richard Monckton Milnes auf. »Eigentlich sind wir hergekommen, um über die Tichborne-Affäre zu reden. Der Anspruchsteller scheint sich eine Leibwache aus Aufrührern zugelegt zu haben. Hast du eine Ahnung, weshalb?«
»Hat er das? Kommt mir ziemlich merkwürdig vor.«
»Das dachten wir auch. Was treiben die Aufrührer heutzutage? Wer ist ihr neuer Befehlshaber?«
»Ich fürchte, in diese Angelegenheit kann ich nicht viel Licht bringen. Der Schleier der Verschwiegenheit um diese Gruppierung ist noch nie undurchdringlicher gewesen. Ich glaube, der neue Anführer ist Russe und Anfang Februar in diesem Land eingetroffen. Wer er ist, wo er wohnt – das sind Fragen, die ich nicht beantworten kann.«
»Er?«, hakte Burton nach. »Oder vielleicht sie ?«
»Hm. Könnte ich nicht mit Gewissheit sagen. Aber eine Frau? Hältst du das nicht für eher unwahrscheinlich? Was ich dir sagen kann , ist Folgendes: Seit er – oder sie – das Ruder übernommen hat, halten die Aufrührer rund um die Uhr Séancen ab.«
»Also, das ist interessant! Versuchen Sie, mit jemandem Verbindung aufzunehmen, der gestorben ist? Womöglich mit Laurence Oliphant oder Henry Beresford?«
»Weiß ich nicht, Richard, aber falls sie wirklich mit Verstorbenen sprechen, bezweifle ich, dass es ihre ehemaligen Anführer sind, mit denen sie sich unterhalten.«
»Wieso das?«
»Weil jene Aufrührer, die Oliphant und dem Marquis amnächsten gestanden haben, in den vergangenen Monaten ziemlich ins Abseits gedrängt wurden. Die neue Führung ist emsig bestrebt, die alte vollständig außer Gefecht zu setzen.«
»Und wer steht dem neuen Anführer nahe? Kannst du irgendwelche Namen nennen?«
Milnes schaute einen Moment lang nachdenklich drein, dann zuckte er mit den Schultern und erwiderte: »Ich würde dir gerne helfen, wenn ich könnte, aber von den neuen Leuten kenne ich schlichtweg niemanden.«
Swinburne meldete sich zu Wort. »Was ist mit einem Burschen namens Boyle oder Foyle? Ein großer, gebückter Kerl mit
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