Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)
Wangen kratzende, bedrohlich auf die Augen gerichtete Spitzen auf, die Burton als völlig lächerlich empfand. Die Hemden steckten in hochtaillierten, knielangen Hosen. Gelbe Strümpfe verhüllten die Waden der Männer, und große Silberschnallen zierten ihre schwarzen Schuhe. Jeder der beiden Burschen hielt einen Zylinder in den Händen.
Als sie Burtons Arbeitszimmer betraten, wurden sie recht unflätig begrüßt: »Sabbernde Trottel! Aufgeblasene Schwachköpfe!«
»Verzeihen Sie, meine Herren«, sagte Burton grinsend. »Dem neuen Mitglied meines Haushalts fehlt es ein wenig an Manieren.« Er deutete auf eine Stange in der Nähe eines der Bücherregale. »Darf ich vorstellen: Pox, mein Botensittich.«
»Verpisst euch!«, krächzte der Vogel.
»Sie sind ein tapferer Mann, Captain Burton«, meinte Burke mit seiner Grabesstimme. »Nicht viele könnten es ertragen, einen dieser kleinen Teufel in seinem Heim zu halten.«
Damien Burke war groß, bucklig und ausgesprochen kahl und trug einen auffälligen Backenbart. In seinem Gesicht prangte aufgrund der nach unten gekrümmten Mundwinkel, der Hängebacken und der kläglich dreinschauenden Augen ein dauerhaft rührseliger Ausdruck.
»Sind Sie etwa in den Krieg gezogen, Sir?«, erkundigte er sich. »Sie wirken etwas mitgenommen, wenn Sie die Bemerkung gestatten.«
»Es war kein Krieg, es war ein Aufstand«, stellte der Agent des Königs richtig. »Aber die Wunden sind nicht tief, und die blauen Flecken verheilen bereits.«
Burke legte etwas auf Burtons Hauptschreibtisch.
Der Entdecker betrachtete den Gegenstand, der in Leinen gewickelt war und ungefähr die Form und die Abmessungen einer Pistole zu haben schien. »Ich bin noch nicht draußen gewesen. Wie ist es? Hat auf den Straßen wieder Ruhe Einzug gehalten?«
»Ein wenig, Sir«, antwortete Gregory Hare. »Hab ich nicht recht, Mr Burke?« Er war kleiner als sein Gefährte und unglaublich breit, mit massiven Schultern und affengleichen Armen. Sein Schädel wurde von einem wilden Mopp weißer Haare gekrönt, die über den kantigen Kiefer herabhingen und unter dem Kinn mit dem erbleichten Backenbart zu einer einzigen dichten Haarpracht zu verschmelzen schienen. Seine hellgrauen Augen lagen tief in knorpeligen Höhlen, die Nase war platt, und den außergewöhnlich breiten Mund füllten große dicht beisammenliegende Zähne aus.
In Burtons Augen waren beide Männer hässlich wie die Nacht.
»Ganz recht, Mr Hare«, gab Burke zurück. »Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass der Tichborne-Anspruchsteller beabsichtigt, sich heute Nachmittag um vier Uhr von einer Plattform im Saint James Park aus an die Öffentlichkeit zu wenden.«
»Sie glauben, das wird zu weiteren Unruhen führen?«, hakte Burton nach.
»Was denken Sie, Captain?«
»Ich halte es für höchstwahrscheinlich, ja.«
»Wir teilen Ihre Meinung, nicht wahr, Mr Hare?«
»So ist es, Mr Burke.«
»Widerliche Furzgesichter!«, schrie Pox.
Hare schenkte dem Vogel keine Beachtung und deutete auf das Bündel. »Ein Geschenk für Sie, Captain.«
»Wirklich?«
Hare ergriff das Tuch, faltete es auseinander und offenbarte den darin eingewickelten Gegenstand. Es handelte sich um ein grünes organisch wirkendes, fleischig aussehendes Ding mit einem kurzen Lauf und einem Griff, aus dessen unterem Teil kleine weiße Wurzeln wuchsen. Aus dem Gegenstand ragten kleine Knöllchen, eines davon an der Stelle, an der sich bei einer Pistole der Abzug befunden hätte.
»Was um alles in der Welt ist das?«
»Es ist ein Kaktus«, erklärte Burke.
»Ein Kaktus?«
»Ja. Ein Kaktus. Aus Irland.«
»Er hat keine Stacheln.«
»Eigentlich schon, allerdings wachsen sie nach innen. Ist Ihnen ein Mann namens Richard Spruce ein Begriff?«
»Ja, selbstverständlich. Er stand unlängst im Zentrum des allgemeinen Interesses. Ein Mitglied der Royal Geographical Society. Ich laufe ihm von Zeit zu Zeit über den Weg.«
»Er ist so etwas wie ein Ausgestoßener geworden, finden Sie nicht auch?«
Burton nickte. »In den Augen der Öffentlichkeit und der Presse ist er allein für die Tragödie in Irland verantwortlich.«
»Richtig, Captain, richtig. Was uns wiederum, wie manche meinen, in den amerikanischen Konflikt gedrängt hat. Das ist eine gehörige Last für einen einzelnen Mann.«
»Das würde ich auch meinen.«
»Was unter Umständen erklärt, weshalb sich er und einige seiner Eugeniker-Kollegen vergangene Woche mit einem deutschen Spion namens Graf Zeppelin getroffen
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