Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)
Jankyn!«
»Also wollt Ihr euch dem Wunsch der Herrin fügen?«
»Ich habe keine andere Wahl. Auf der Familie lastet jetzt der Fluch der Hexe!«
Er schaute zu den Sternen empor und murmelte: »Möge sich der Himmel derer erbarmen, die mir nachfolgen.«
*
Sir Richard Francis Burton saß mit offenem Mund da und hielt das Weinglas wenige Zentimeter davon entfernt. Er blinzelte, holte Luft und stieß hervor: »Großer Gott! Der Mann war ja ein Tier!«
Henry Arundell pflichtete ihm bei. »Ein Flegel ersten Ranges, und seine Grausamkeit sollte dauerhafte Auswirkungen haben, denn seit er seine Frau umgebracht hat – nichts anderes hat er getan, machen wir uns nichts vor –, haben die Tichbornes die Spende geleistet, abgesehen von einem kurzen Zeitraum, der 1796 begann.«
»Was ist damals passiert?«
»Der siebte Ritter, Sir Henry, der beträchtliche Zeit durch das Ausland gereist war, kehrte zum Haus der Tichbornes zurück, ließ die Spende einstellen und erklärte das Anwesen als verbotenen Ort für alle. Die nächsten paar Jahre lebte er als Einsiedler und hielt seine selbst gewählte Abschottung bis zu den Napoleonischen Kriegen aufrecht. Inzwischen hatte der Älteste seiner sieben Söhne ausschließlich Töchter gezeugt, während die anderen kinderlos geblieben waren. Als ein großer Teil des Schlosses einstürzte, erkannte Sir Henry, dass der Fluch ihn getroffen hatte. Sofort führte er die jährliche Abgabe wieder ein, ließ den Rest des Hauses abreißen und errichtete den derzeitigen Herrschaftssitz auf dessen Grundfesten.«
»Sie sagten, er sei gereist«, warf Burton ein. »Wissen Sie, wo?«
»Hauptsächlich in Amerika, glaube ich. Jedenfalls war die Unglücksserie der Tichbornes trotz der Wiedereinführung der Spende nicht ganz vorbei. Während James, Sir Henrys dritter Sohn, alsSoldat in Frankreich war, heiratete er eine launische junge Frau namens Henriette-Felicité. Wenngleich sie einen Erben für den Besitz gebar – Roger Charles Doughty Tichborne, der im Januar 1829 zur Welt kam –, scheiterte ihre Ehe mit James.«
Arundell unterbrach seine Ausführungen, als sich der Kellner näherte. »Wollen wir bestellen?«, fragte er Burton.
Der Agent des Königs, der völlig in der Geschichte seines Gegenübers aufgegangen war, schwenkte abwesend die Hand und erwiderte: »Ja, ja, natürlich, nur zu.«
Henry Arundell entschied sich für Hühnchen-Vindaloo, und Burton, den wenig kümmerte, was er essen wollte, bestellte dasselbe.
»Also ist dieser Roger Tichborne der verlorene Sohn, mit dem sich neuerdings sämtliche Journalisten befassen?«
»Ja. Er wurde von seiner Mutter verhätschelt und als Franzose großgezogen. Englisch lernte er erst im Alter von zwölf Jahren, und er sprach immer mit einem starken französischen Akzent. Es wurde noch ein zweiter Sohn geboren. Eigentlich überraschend, wenn man bedenkt, dass sich James und seine Frau mit der Zeit immer mehr hassten. Dieses zweite Kind, Alfred, war ein willensschwacher Bursche und wurde von Henriette-Felicité geradezu ignoriert, deren Augenmerk weiterhin ihrem Erstgeborenen galt.
Um kurz auf ihren Großvater, Sir Henry, zurückzukommen: Als er starb, wurde einer seiner anderen Söhne, James’ älterer Bruder Edward, zum achten Ritter. Edward hatte seinen Nachnamen aufgrund einer Erbschaftsbedingung in Doughty geändert. An der Stelle kommt meine Familie ins Spiel, denn nachdem er Sir Edward Doughty geworden war, heiratete er meine Tante, Katherine Arundell, und sie bekamen 1834 ein Kind, Kattie Doughty. Die fing ein Techtelmechtel mit dem jungen Roger Tichborne an, der nach seiner Ausbildung an der Jesuitenschule von Stonyhurst zu den Dragonern ging und seinen Urlaub im Haus der Tichbornes verbrachte. Meine Tante sprach sich vehement gegen diese Romanze aus, weil Roger keine Zukunftsaussichten hatte undsich nicht hinlänglich wie ein Engländer verhielt. Hinzu kam natürlich, dass die beiden Vetter und Base waren.
Nachdem ihm für mindestens drei Jahre verboten worden war, Kattie zu sehen, beschloss Roger, sich zu beweisen. Wie für ihn typisch jagte er einem Hirngespinst hinterher. Laut einer Familienlegende hatte Sir Henry in Südamerika einen sagenhaften Diamanten entdeckt …«
» Was? «, rief Burton, womit er für Missfallensbekundungen von den angrenzenden Tischen sorgte.
Arundell sah ihn verdutzt an und schüttelte den Kopf. »Nein, nein, Burton«, sagte er. »Wie gesagt, es handelt sich lediglich um ein Hirngespinst. Es hat nie
Weitere Kostenlose Bücher