Der Wunsch des Re
siebenunddreißig Jahre alt. Es wird endlich Zeit, zur Vernunft zu kommen und etwas Nützliches zu tun.«
Ramses verschlug es beinahe die Sprache. Er hätte mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass Sethi seinem Müßiggang entsagen wolle. Er nickte aber und versprach ihm sogar seine Unterstützung.
»Ich gedenke, meinen Wohnsitz von Per-Ramses nach Theben zu verlegen«, offenbarte sich Sethi. »Fernab vom königlichen Hof komme ich sicher nicht auf dumme Gedanken und kann mich sinnvolleren Dingen zuwenden als Festen und Frauen.«
»Wenn du meinst«, entgegnete Ramses, der nicht ahnte, dass sein Onkel nur aus seinem direkten Umfeld verschwinden wollte. »Ich werde dir Empfehlungsschreiben für meine dortigen Beamten mitgeben, damit sie dir jegliche Unterstützung bei deinen Studien gewähren.«
Ja, dachte Sethi, deine dortigen Beamten. Vor denen werde ich tunlichst auf der Hut sein, Ramses, vor allem vor deinem Halbbruder Chaemwaset, dem Nomarchen des thebanischen Gaus.
Er räusperte sich. »Ich danke dir, Majestät.«
* * *
Einen Monat später, zu Beginn der Aussaat, hatte sich Sethi auf seinem Anwesen in der südlichen Königsstadt häuslich eingerichtet.
Bei seinen Unterredungen mit Pharaos thebanischen Beamten und Priestern traf er mit einigen zusammen, die mit den ihnen zugewiesenen Ämtern unzufrieden waren und nach Höherem strebten. Zwar waren sie nicht immer gewillt, ihm auf jede seiner Fragen eine Auskunft zu erteilen, doch der Prinz tastete sich ganz behutsam an sie heran. Mit der Zeit wurden die Unterhaltungen immer vertraulicher, und schon bald hatte Sethi die Spreu vom Weizen getrennt.
Einer von Pharaos Priestern, der Vierte Prophet des Gottes Amun-Re, schien wie geschaffen, ein getreuer Gefolgsmann zu werden. Sethi hatte sich ihm zwar noch nicht offenbart; er war sich jedoch sicher, Senenmut vertrauen zu können.
»Seit geraumer Zeit munkelt man hinter vorgehaltener Hand, dass beim Tempelbau in Abydos geheimnisvolle Dinge passieren sollen«, meinte Sethi ganz nebenbei und lugte zu dem Priester, mit dem er sich auf dessen Anwesen im Tempelbezirk von Opet-sut getroffen hatte. »Ramses’ halbe Leibwache soll in Abydos sein. Hast du darüber irgendetwas gehört?«
Gelassen zuckte Senenmut mit den Schultern. »Was soll dort schon Geheimnisvolles geschehen«, erwiderte er. »Ich vermute, Ramses lässt sich dort ein Haus für die Ewigkeit bauen.« Er griff nach seinem Wein und trank einen Schluck.
»Aber lässt er sich das nicht bereits im Königstal aus dem Felsen meißeln«, entgegnete Sethi verständnislos.
Senenmut grinste. »Sicher, Hoheit. In Abydos baut Ramses sich aber seinen Tempel der Millionen Jahre. Er ist nicht der erste Herrscher, der sich im heiligen Boden von Abydos ein Scheingrab anlegen lässt, um Osiris näher zu sein. Da die Baustelle aber so streng bewacht wird und zudem noch die Handwerker aus dem Königstal daran mitwirken, vermute ich, er hat vor, sich dort auch bestatten zu lassen.«
Sethi stand der Mund offen, denn er verstand überhaupt nichts. »Aber warum? Wieso sollte er das in Abydos tun, wenn seine Vorfahren in der thebanischen Totenstadt unter dem Schutz der Hathor und Meretseger ruhen? Mein Vater und mein Bruder übrigens auch!«
Senenmut schmunzelte geheimnisvoll und griff nach einem Gebäckstück. »Weil Ramses zu seinem göttlichen Vater Re in die Sonnenbarke will. Er scheint zu befürchten, dass ihm in Theben das gleiche Schicksal widerfahren könnte wie seinem zu Osiris gegangenen Vater.« Er schob sich das Gebäck in den Mund und kaute genüsslich darauf herum.
»Und in Abydos ist er sicherer?«
»Schon möglich, Hoheit.« Senenmut schluckte den Rest des Gebäcks hinunter und warf einen verstohlenen Seitenblick auf den jüngeren Bruder des zu Osiris gegangenen Pharaos.
Nachdenklich starrte Sethi in seinen Wein. Verständlicherweise hatte er keinerlei Ahnung, wer diese Frau war, die Ramses dem Hohepriester des Osiris als Dienerin in seinen Tempel gegeben hatte. Senenmut entzog sich zwar auch das Wissen, was genau sie im Auftrag der Götter hier auf Erden erledigen sollte; dennoch vermutete er, dass es mit dem Bau des Königsgrabs zu tun haben musste.
»Das verstehe ich nicht«, erwiderte Sethi nach einer Weile. »In Abydos könnte sein Haus für die Ewigkeit ebenso beraubt werden wie im Königstal. Oder gibt es etwas, das ich nicht weiß?« Fragend richtete er seinen Blick auf den Vierten Propheten, der eine verschlossene Miene aufgesetzt
Weitere Kostenlose Bücher