Der Wunsch des Re
mehr davon hören! Du scheinst zu vergessen, mit wem du redest, Priester. Du hast dein Amt durch mich erhalten, und ich werde es auch sein, der dich deines Amtes wieder enthebt, wenn du mir nicht den Gehorsam entgegenbringst, der mir gebührt! Und jetzt verschwinde mir aus den Augen!«
Die letzten Worte waren nur noch gebrüllt, sodass sich Ramose genötigt fühlte, Ramses so schnell wie möglich zu verlassen.
Ramses hingegen sprang auf und stapfte aufgebracht aus dem Saal, ohne nur einen Happen gegessen zu haben. Ihm war der Appetit gehörig vergangen.
Was bildete sich dieser arrogante Priester aus Heliopolis ein? Wollte er ihn, den Herrn über das Schwarze und das Rote Land, belehren? Ramose hatte ihn gerade wie einen zehnjährigen Schüler behandelt. Es hätte nur noch gefehlt, dass er seinen Amtsstab genommen und versucht hätte, ihm das Ohr zu öffnen! Ramses schäumte vor Wut. Schon einmal hatte es Ramose gewagt, ihm die Stirn zu bieten. Ein weiteres Mal würde er sich das nicht gefallen lassen!
* * *
Ramose vermied es für den Rest seines Aufenthalts in Theben, Ramses unter die Augen zu treten. Ihm war bewusst, dass er den Pharao verärgert hatte und nun um sein Amt als Hohepriester von Heliopolis bangen musste. Einen Tag vor seiner Abreise in den Norden erhielt er dann die Bestätigung dafür, dass seine Befürchtungen nicht ganz unbegründet waren.
»Wie ich hörte, hast du Ramses ziemlich verärgert«, begann Sethi das Gespräch, das er mit Ramose in einem abgelegenen Teil seines Gartens führte, wo niemand sie belauschen konnte.
»Es war nicht meine Absicht, das zu tun, Hoheit«, erwiderte Ramose distanziert, weil er nicht wusste, was der Prinz mit seiner Frage bezweckte. Er war einigermaßen überrascht gewesen, als er Sethis Einladung erhalten hatte, hatte es aber nicht gewagt, sie auszuschlagen.
»Es ging, wie man hört, um die Frau, die mein Neffe einst nach Abydos schickte und die nun den Osiris-Hohepriester geehelicht hat. Habe ich recht, Ramose?«
Der Große Sehende war verblüfft, woher der Prinz so gut unterrichtet war, sagte aber keinen Ton.
Schulterzuckend fuhr Sethi fort: »Anscheinend liegt einigen Männern etwas an dieser Meritusir«, plauderte er weiter, während er den Hohepriester abschätzend aus den Augenwinkeln beobachtete. »Ich habe zwar keine Vorstellung, was dich an ihr interessiert, aber du solltest vorsichtig sein, mein Freund. Mein königlicher Neffe ist ziemlich ungehalten über dein Benehmen vor ein paar Tagen und sinnt darüber nach, dich deines Amts zu entheben.«
Dem Priester blieb die Luft weg. »Hat er das gesagt?«
»Nicht direkt, ich konnte es aber seinem Gesichtsausdruck entnehmen, als er seiner Mutter und mir über dieses Treffen berichtete«, log Sethi unverfroren, denn Ramses war zwar erbost gewesen, hatte aber mit keiner Silbe von einer Amtsenthebung gesprochen.
»Danke, Hoheit, dass du mich gewarnt hast«, erwiderte Ramose und schnappte nach Luft. »Es tut mir leid, was passiert ist. Ich kann es aber nicht rückgängig machen.«
»Lügner!«, zischte Sethi aufgebracht. »Es tut dir nicht im Geringsten leid. Du willst die Frau, warum auch immer, doch ich ...« Er unterbrach sich selbst. Ramose durfte von seiner Zuneigung zu Meritusir nichts erfahren.
Fragend hatte Ramose die Augenbrauen gehoben. »Doch du ...?«
»Ach nichts.« Sethi tat verschlossen.
Er hatte Ramose in der Hoffnung zu sich eingeladen, in dem alten Hohepriester des Re einen weiteren Verbündeten finden zu können. Er war sich aber nicht sicher, ob er ihn jetzt schon in seine Pläne einweihen sollte. Zu viel stand auf dem Spiel. Ramose war zwar an Meritusir interessiert und würde sicher einiges tun, um sie in seinem Tempel zu bekommen, doch er hatte bereits ein beneidenswertes Amt inne. Wäre er bereit, dieses aufs Spiel zu setzen? – Wahrscheinlich nicht, aber wenn Ramose dieses Amt nun verlieren würde ...?
Sethi kam eine grandiose Idee.
Er sah wieder zu dem älteren Mann, der ihn neugierig musterte. »Eigentlich wollte ich dir nur sagen, dass du vorsichtig sein musst. Ramses ist nicht gerade gut auf dich zu sprechen.«
Ergeben neigte der Priester den gesalbten Kopf. »Ich danke dir für deine Offenheit, mein Prinz.«
Von nun an verlief das Gespräch in seichtem Geplänkel über völlig belanglose Themen, bis Ramose eine Stunde später den Prinzen wieder verließ, um sich auf seine Abreise am kommenden Morgen vorzubereiten. Sethi indes marschierte sofort nach
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