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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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Vertrauen und dir all deine Ämter. Du kannst dann wieder als Wab-Priester von Neuem beginnen, wohingegen Meritusir erneute Leibeigenschaft und Zwangsarbeit in meinen Diensten droht. Richte ihr das von mir aus!« Er musterte den Freund aus Kindertagen. »Meritusir ist klug und redegewandt. Das hat sie heute erneut unter Beweis gestellt. Trotzdem sollte sie versuchen, ihre Zunge im Zaum zu halten!«
    »Bitte verzeih ihr Ungestüm. Sie wollte dich weder erzürnen noch dir den Gehorsam verweigern. Sie tat es für mich, so wie sie es auch für dich jederzeit tun würde, Majestät.«
    »Das möchte ich ihr auch raten.« Ramses nahm die Schreibbinse in die Hand, die neben einem zusammengerollten Papyrus lag, und betrachtete sie. »Wie gehen ihre Unterweisungen voran?«
    »Schnell und sehr gut. Meritusir lernt und studiert fleißig, was ich ihr zu lesen gebe. Ich kriege sie fast nur noch zum Essen und auf der Baustelle zu Gesicht. Den Rest der Zeit verbringt sie in der Bibliothek, wo sie sich bis spät in der Nacht in die Schriften vertieft. Meine Gemahlin kann ihr Glück noch gar nicht fassen, dass sie jetzt so langsam das zu lesen bekommt, was sie schon immer lesen wollte.«
    Der erste Anflug eines Lächelns zeigte sich auf Ramses’ Gesicht. »Dann kommt sie ganz nach dir, Amunhotep. Auch du konntest dich nie von deinen Schriftrollen lösen – ihr passt wahrlich ausgezeichnet zusammen.« Er sah von der Binse in seinen Händen hoch zu dem Priester. »Wann wird euer Kind geboren?«
    »Ende des Jahres, Majestät. Ich bete zu den Göttern, dass alles gut verläuft, denn es ist Meritusirs erste Geburt, und sie wird bald achtundzwanzig.«
    »Es wird alles gut gehen. Die Götter wachen über deine Frau«, sprach Ramses Amunhotep Zuversicht zu. »Ich freue mich für dich und für Meritusir, dass ihr zusammen euer Glück gefunden habt. Es ist das Beste sowohl für dich als auch für sie. Morgen werde ich beim ersten Ritual im Tempel des Amun-Re eigenhändig den Gott in seinem goldenen Schrein erwecken. Zur dritten Stunde des Tages kehre ich dann wieder zurück und zelebriere die geheimen Riten, wo ich eigentlich dich an meiner Seite wissen wollte. Doch du musst umgehend nach Abydos reisen, Amunhotep. Die Sicherheit meines Hauses für die Ewigkeit geht vor.«
    Amunhotep war überwältigt. Soeben hatte ihm Ramses wieder sein Vertrauen ausgesprochen. »Ich danke dir für die Ehre, die du mir zuteilwerden lassen wolltest, Majestät, und verspreche, alles zu tun, dass dein göttlicher Leib ungestört in die Barke des Re gelangen wird.«
    »Das weiß ich. Ich bin ein strenger Herrscher, und niemand entgeht seiner gerechten Strafe. Für dich aber habe ich, zugegeben, eine Schwäche. Ich hoffe, dass sich diese Schwäche nicht als gefährlich entpuppen wird.« Freundlich lächelnd sah Ramses den Mann an, den er seit der Zeit in der Palastschule als seinen Freund bezeichnete. »Hast du jemanden in Verdacht, dieses Komplott gegen euch angezettelt zu haben?«
    Amunhotep schüttelte den Kopf. »Nein, ich will auch keine Spekulationen aussprechen.«
    »Das ist klug von dir, doch sage mir, was du darüber denkst.« Ramses sah Amunhotep fest in die Augen. »Ich will deine ehrliche Meinung hören. Für einen Moment will ich vergessen, dass es gegen die Maat ist, jemanden ohne Beweise einer Tat zu bezichtigen, die er womöglich gar nicht begangen hat.«
    Ratlos zuckte Amunhotep mit den Schultern. »Ich habe wirklich keine Ahnung, Majestät.«
    »Denke nach. Fällt dir niemand ein, der sich von dir ungerecht behandelt gefühlt haben könnte?«
    »Nein, Majestät. Würde Ipuwer noch leben, würde ich dazu raten, ihn zu überprüfen. Dass er immer nach meinem Amt geschielt hat, wusste ich bereits von Netnebu. Er ist aber tot, und die anderen Priester stehen loyal hinter mir.«
    »Vielleicht war es wirklich nur eine Verkettung unglücklicher Zufälle«, meinte Ramses und legte die Schreibbinse zurück neben den Papyrus. »Ich werde der Sache auf den Grund gehen, wobei ich fürchte, dass es nicht leicht werden wird, den Verantwortlichen zu finden.« Er lehnte sich bequem in seinem Sessel zurück und wechselte das Thema. »Wusstest du eigentlich, dass sich mein Onkel wieder verliebt hat? Allem Anschein nach hat er endlich eine Frau gefunden, mit der er zusammenleben will.«
    »Das freut mich zu hören. Wer ist denn die Glückliche?«
    »Die Tochter des vierten Amun-Propheten.«
    Amunhotep konnte sich einen verwunderten Ausruf nicht verkneifen.

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