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Der Wunschtraummann

Der Wunschtraummann

Titel: Der Wunschtraummann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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statt die ganze Zeit mit den Fingern in den Ohren dazustehen, aus Angst, einen Tinnitus zu riskieren, verstopfe ich mir die Ohren mit meinen extra-dicken Fiona-Orgasmus-getesteten Ohrenstöpseln und stürze mich mit Seb fröhlich in die Pogo tanzende Menschenmenge vor der Bühne. Wie ein alter Hase hopse ich direkt vor den Lautsprechern herum. Es war großartig. Ich habe rein gar nichts gehört!
    Seb allerdings hörte ich nachher auch nicht, denn ich hatte mir die Dinger so tief in den Gehörgang geschraubt, dass sie feststeckten und ich ihm während der Autofahrt nach Hause die Worte von den Lippen ablesen musste. Was ziemlich anstrengend war, denn er fuhr ja und schaute die ganze Zeit nach vorne. Einmal wäre ich fast aufgeflogen, weil ich dachte, er werfe mir vor, faul zu sein, weshalb ich schon in Verteidigungshaltung ging, ehe ich kapierte, dass er gesagt hatte, die Band sei geil. Ich kam mir fast vor, als spielten wir Stille Post.
    Und dann die Hochzeit. Normalerweise stehe ich auf Hochzeiten, diesmal jedoch muss ich so tun, als könnte ich der ganzen Show überhaupt nichts abgewinnen. Die Braut sieht traumhaft aus, aber statt beim Anblick ihres Kleides in begeisterte »Ooh«- und »Aah«-Rufe auszubrechen, beiße ich mir auf die Zunge und sage keinen Ton. Selbst als sie sich das Jawort geben, bleiben meine Augen trocken (was wesentlich schwerer war, als ich dachte, weil ich bei Hochzeiten vor Rührung immer weinen muss). Und was den Brautstrauß angeht … als ich ihn diesmal unverhofft auffange, werfe ich ihn einfach postwendend zurück.
    Wobei ich mir zugegebenermaßen wie ein echter Spielverderber vorkomme, denn eigentlich sind Hochzeiten doch dazu da, sich mitzufreuen und zu amüsieren. Aber zumindest sind Seb und ich uns diesmal einig. Wir machen kleine stichelnde Bemerkungen, wie blöd man eigentlich sein muss, um zu heiraten, und verdrehen während der Trauung vielsagend die Augen. Es könnte gar nicht besser laufen, auch wenn ich auf einer Hochzeit noch nie derart miese Laune verbreitet habe!
    Anfang der Woche hatte Seb erklärt, ihm fehle das Meer, also sind wir nach der Arbeit an die Küste gefahren, an denselben Strand, an dem wir auch beim ersten Mal waren, wo er mir das Stück Treibholz geschenkt hat und barfuß im eisig kalten Wasser herumgewatet ist. Diesmal allerdings bin ich nicht auf dem trockenen Uferstreifen geblieben, sondern habe die Jeans hochgekrempelt und bin mitgegangen. Seht ihr, ich bin kein Frosch!
    »Hatschi!«
    Es ist Freitag, und ich bin erkältet. Im Mondschein an der Küste von Sussex im eiskalten Wasser zu waten mag zwar äußerst romantisch klingen, aber haben Sie eine Vorstellung davon, wie eisig der Kanal im Januar ist? Es war schweinekalt! Beinahe wäre ich an Unterkühlung gestorben. Und ich glaube ernsthaft, dass ich Frostbeulen an den Zehen habe.
    »Gesundheit!«
    Ich schaue von meinem Schreibtisch auf und sehe Sir Richard mit seinem Irish Setter Monty hereinkommen. Wie es aussieht, haben er und die baldige Ex-Lady-Blackstock sich darauf geeinigt, das Sorgerecht für den Hund zu teilen, und da er dieses Wochenende auf ihn aufpasst, hat sein Fahrer den Vierbeiner gerade hergebracht.
    »Oh, danke«, schniefe ich und putze mir rasch die Nase. Seit dem eigentümlichen Zwischenfall mit dem Laptop habe ich Sir Richard kaum gesehen, da er ständig Termine außer Haus hat, aber es scheint ihm deutlich besser zu gehen. Ja, es sieht fast aus, als durchlebte er eine wundersame Verwandlung.
    Der alte verknitterte Anzug ist verschwunden, ebenso wie die abgewetzten ausgelatschten Treter und die Alma-Mater-Krawatte aus Oxford. Stattdessen trägt er einen brandneuen anthrazitfarbenen Anzug, der verdächtig nach Designer aussieht und nur eine einzige Falte aufweist; die Bügelfalte nämlich. Dazu Slipper, bei denen Kym felsenfest behauptet, sie seien von Paul Smith, weil angeblich Jude Law genau diese Schuhe auf einem Foto in der Grazia trägt, und – man höre und staune – keine Krawatte! Nein, er trägt das Hemd einfach oben offen.
    Ein offenes Hemd! Bei Sir Richard! Was kommt als Nächstes? Ein T-Shirt? Ein Ohrring? Ein Dreitagebart?
    »Ich wünsche Ihnen ein wunderschönes Wochenende«, ruft er strahlend, als er mit Monty bei Fuß mit großen Schritten an meinem Schreibtisch vorbeimarschiert.
    »Ihnen auch«, rufe ich ihm nach, während er schwungvoll federnden Schrittes durch den Empfang nach draußen geht. Sein neues »Online-Hobby« hat ihm anscheinend einiges von seiner

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