Der Wunschtraummann
Lebensfreude wiedergegeben. Was ich toll finde, und es ist mir auch gar nicht unangenehm oder peinlich, ermahne ich mich streng.
Ich sehe ihm hinterher, wie er an Fergus vorbei hinausgeht, der seinerseits mit einem großen Karton in der Hand hereinkommt, auf der in Großbuchstaben »Partytime« steht. Vermutlich die Ballons, die ich für die Abschiedsfeier bestellt habe. Ich weiß, ich weiß, die findet in einem obervornehmen Privatclub statt, aber trotzdem: Eine Party ohne Ballons ist keine Party.
»Na los, sagen Sie schon, hat sich was getan?«, löchert Kym den armen Fergus, kaum dass er zur Tür hereinkommt. Sie war wegen einer Erkältung krankgeschrieben, und nun ist sie umso energiegeladener wieder da. »Ich sterbe, wenn ich nicht auf der Stelle erfahre, was in der Zwischenzeit passiert ist! Hat sie sich gemeldet? Habt ihr euch getroffen? Hat es zwischen euch gefunkt?«
Wie sie so ohne Luft zu holen ihre Fragensalve auf den armen Fergus abfeuert, tut er mir fast leid. Er steht bloß da und wirft mir verzweifelte Blicke zu, worauf ich ihn aufmunternd anschaue. Nach unserem vertraulichen Gespräch im Café haben wir uns nur kurz zwischen Tür und Angel gesehen, aber ich weiß, dass es noch immer keine Neuigkeiten gibt.
»Noch nicht«, sagt er. »Wenn Sie das dann hier abzeichnen könnten«, fährt er betont munter fort und legt das Paket auf den Tresen.
Doch damit lässt sich Kym nicht abspeisen. Sie zieht ein lippenstiftbemaltes Schmollmündchen und runzelt die Stirn. »Noch nicht heißt, es hat noch nicht zwischen euch gefunkt oder sie hat sich noch nicht gemeldet?«
»Letzteres«, sagt er, errötet leicht und reicht ihr das elektronische Klemmbrett zum Unterschreiben.
»Wer hat sich nicht gemeldet?«, kläfft eine schrille Stimme, und dann kommt Wendy in ihrem Dufflecoat im Sturmschritt den Korridor entlang, offensichtlich auf dem Weg nach Hause.
»Fergus hat eine Verpasste Chance gepostet«, erklärt Kym.
Worauf ich mich blitzschnell zu ihr umdrehe und sie böse anfunkele. Also mal ehrlich, wenn das mal kein Dolchstoß in den Rücken war.
»Was denn?«, fragt Kym, als sie meine Blicke sieht. »Darf das niemand wissen?«
»Eine Verpasste Chance ?«, kommt es von einigen Leuten aus der Buchhaltung, die gerade gehen wollen und noch im Foyer herumstehen.
Fergus läuft noch röter an.
»Du? Doch nicht im Ernst!«, schnaubt einer der Jungs, ein pummeliger Kerl mit Plauze, dessen Namen ich immer vergesse. Er scheint wohl insgeheim hocherfreut zu sein, dass dieser gutaussehende Ire es offensichtlich nötig hat, eine Kontaktanzeige aufzugeben. »Was denn, und sie hat sich nicht gemeldet?«, grölt er.
»Tja, das weiß er noch nicht, er muss erst die vielen E-Mails abarbeiten von all den Mädels, die sich auf die Anzeige gemeldet haben«, erkläre ich vernehmlich, schnappe mir meinen Mantel und gehe rüber zu Fergus. »Es sind hunderte, das dauert ewig, stimmt’s?« Ich verdrehe die Augen und schaue ihn an, und er grinst dankbar zurück.
Das bringt das Pummelchen zum Schweigen, und ich hake mich bei Fergus unter und dirigiere ihn schleunigst aus dem Gebäude. »Ignoriere sie einfach«, zische ich, als wir durch die automatische Schiebetür nach draußen in die kalte Abendluft hinausgehen.
»Hey, ich bin Schauspieler, ich bin Abfuhren gewöhnt. Das gehört zum Beruf.« Er schließt sein Fahrrad auf und schiebt es, während wir beide gemeinsam die Straße entlanggehen. »Ehrlich gesagt frage ich mich, wieso ich überhaupt zu diesem Vorsprechen gehe.«
Ich spitze die Ohren. »Was denn für ein Vorsprechen?«
»Für eine Fernsehserie.«
»Fergus, das ist ja fabelhaft!«, quietsche ich aufgeregt. »Warum hast du mir denn nichts davon gesagt?«
»Mein Agent hat mich eben erst angerufen«, meint er achselzuckend und versucht dabei, ganz unbeteiligt zu klingen. »Es ist alles sehr kurzfristig.«
»Und wann ist das Vorsprechen?«
»Morgen. Das heißt, ich muss heute Abend meinen Text lernen.«
»Wow, das ist ja toll!« Ich grinse ganz begeistert.
Er verzieht den Mund zu einem kleinen Lächeln. Man merkt, dass er eigentlich ziemlich aufgeregt ist, aber sich zwingt, cool zu bleiben. »Und was machst du heute Abend?«, fragt er.
»Ich besuche meinen Opa, er veranstaltet einen großen Pokerabend.« Das schrille Läuten meines Handys unterbricht mich. »Entschuldige mich einen Moment, bitte.« Es ist Seb, der fragt, wie es mir geht. »Ich laufe gerade zur Bushaltestelle. In ungefähr einer halben Stunde
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