Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For
Ledersitzen neben einem attraktiven Fremden und Gratis-Champagner bis nach Edinburgh. Ich schließe die Augen. Aber es ist ja nur ein kurzer Flug. Und mit etwas Glück kann ich die gesamte Strecke verschlafen.
»So, so, ist das nicht nett hier?«
Oh, nein. Bitte nicht.
Ich sitze neben einem Kerl mit ausgeprägtem schottischem Akzent. Ich schlage die Augen auf und sehe, wie er auf mich herunterstrahlt. »Hallöchen. Ich bin Bruce und du …«
Die nächste Viertelstunde läuft im Großen und Ganzen recht gut. Na ja, abgesehen vom ständigen Rauschen der Toilettenspülung und Bruce, der zum Glück eingeschlafen ist und auf meine Schulter sabbert.
»Lieber ein Sandwich mit Huhn oder mit Schinken für Sie, Madam?«, erkundigt sich die Stewardess mit einstudiertem Lächeln.
»Gibt es auch etwas Vegetarisches?«, frage ich.
»Nein, ich fürchte, wir haben nichts mehr. Aber auf diesem hier ist ein bisschen Salat und Tomaten«, sagt sie und inspiziert ein mager aussehendes Baguette durch die Zellophanverpackung. »Den Schinken können Sie ja runternehmen.«
»Äh, nein, ist schon gut.« Mein Magen grollt unglücklich.
»Kaffee oder Tee?«, zwitschert sie.
»Kaffee, bitte.«
Sie reicht mir eine kleine weiße Plastiktasse auf einem Tablett und schenkt routiniert die schwarze Flüssigkeit ein, ohne einen Tropfen zu verschütten.
Aus heiterem Himmel erbebt das Flugzeug.
»Was zum Teufel …?« Ich werfe der Stewardess einen Blick zu, doch ihre Miene bleibt völlig unbewegt, als sie in ihren dunkelblauen Pumps schwankend dasteht und den Kaffee einschenkt. Beruhigt nehme ich ihr die Tasse aus der Hand.
Siehst du, sage ich mir, alles in Ordnung. Nur eine kleine Turbulenz. Nichts, weswegen man sich Sorgen machen müsste. Nichts …
Aaahh.
Ohne jede Vorwarnung sackt die Maschine erneut ab, und ich fühle mich, als würden wir vom Himmel fallen. Entsetzen beschreibt das Gefühl, das mich erfasst, nicht einmal annähernd. Ich höre Kindergeschrei, das Kreischen einer Frau. Das Herz schlägt mir bis zu Hals, und ich spüre, wie sich ein Finger in meinen Arm bohrt.
Ein was?
Ich hebe den Kopf und stelle fest, dass Bruce mich mit seinem feisten Finger anstupst und besorgt durch seine rahmenlose Brille mustert. »Och, Mädel, schon gut. Nur ein paar kleine Turbulenzen, alles bestens«, sagt er und kaut auf seinem Schinkensandwich herum. »Na ja, bis auf deine Hose«, fügt er mit einer Geste in Richtung meines Schoßes hinzu.
Ich sehe nach unten und bemerke, dass sich ein großer brauner Fleck rasch auf meiner Hose ausbreitet, dann betrachte ich die leere Plastiktasse, die ich noch immer in der Hand halte. Gerade rechtzeitig, um den letzten Tropfen herauskullern zu sehen. Toll. Einfach toll. Kann es eigentlich noch schlimmer kommen?
Es kann. Nachdem wir gelandet sind - falsch: nachdem wir holpernd und mit kreischenden Bremsen auf der Landebahn aufgeschlagen sind -, stecke ich hinter Bruce fest und muss warten, bis alle Passagiere ausgestiegen sind. Was bedeutet, dass ich die Letzte bin, die die Ankunftshalle durchquert, und folglich auch die Letzte in der Schlange bei den Taxis.
Und inzwischen regnet es.
Der Anblick, wie die Tropfen auf meine pinkfarbenen Satinschuhe fallen, von denen einer einen Absatz eingebüßt hat, entlockt mir einen Seufzer. Wo ist nur das schöne Wetter geblieben? Es hat seit einer halben Ewigkeit nicht mehr geregnet, seit … ich durchforste mein Gehirn. Seit diesem Abend, als ich bis auf die Knochen nass geworden und der alten Zigeunerin mit dem Heidekrautzweig begegnet bin.
Ein eigentümliches Gefühl überfällt mich. Moment mal. Nicht nur die Sonne ist verschwunden, sondern auch all die grünen Ampeln und leeren Straßen. Was ist passiert? Was ist damit, dass ich nie mehr in einer Schlange anstehen musste? Den besten Platz bekam? Das letzte Sandwich? Das einzige Taxi? Was ist aus meiner faltenfreien Haut geworden? Aus all den Tagen mit perfekt sitzendem Haar? Wie kommt es, dass all das auf einmal verschwunden ist und stattdessen …
… alles wieder so ist wie vorher, wird mir schlagartig klar. Denn es ist genau so wie damals, bevor …
Bevor was, Heather?, fragt eine leise Stimme in meinem Kopf.
Und dann weiß ich es.
Bevor all meine Wünsche in Erfüllung gegangen sind.
Einen Augenblick lang stehe ich reglos auf dem Bürgersteig, doch mir schwirrt der Kopf. Es kann doch nicht … oder? Meine Gedanken wandern zu der Hochzeit zurück, dem Moment, als wir uns alle an den Händen
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