Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For
anschleichen. Ich zucke zusammen, als die Sisalmatte widerlich brennend in meine Brustwarzen schneidet. »Eigentlich …« Ich erreiche die Garderobe, stehe auf und pflücke eine Jacke vom Haken. »Wieso kommen Sie nicht einfach vorbei und sehen sich das Zimmer an? Und finden heraus, ob es Ihren Vorstellungen entspricht. Ob ich Ihren Vorstellungen entspreche.« Ich lache nervös.
»Wann?«
»Äh, nächste Woche?« Ich spiele auf Zeit. Und um die alleinige Nutzung meiner Le-Creuset-Töpfe.
»Wie wäre es morgen?«
»Morgen?«, quieke ich.
»Tut mir leid, morgen ist Samstag. Bestimmt haben Sie schon etwas vor.«
»Äh … na ja, eigentlich …« Meine Stimme verklingt, als mir die Wahrheit wieder einfällt. Ich habe nichts vor. Ich bin Single. Und bleibe allein zu Hause. An einem Samstagabend.
»Tut mir leid, aber benehme ich mich gerade wie der typisch aufdringliche Amerikaner?«, durchdringt seine Stimme meine Verlegenheit.
»Ja, ich meine nein, nein … überhaupt nicht«, blubbere ich. Herrgott noch mal, du bist eine solche Idiotin, Heather, denk doch an deine Kreditkartenrechnungen. Denk an deine Hypothek. An die Tatsache, dass du das Zimmer schon seit Wochen inserierst und sein Anruf die erste Reaktion darauf ist. »Morgen ist prima«, sage ich eilig.
»Irre.«
»Äh … ja … irre«, wiederhole ich.
Es entsteht eine Pause.
»Ich brauche noch Ihre Adresse.«
»Ach, ja, meine Adresse … natürlich.« Sie sprudelt so hastig über meine Lippen, dass er mich zweimal bitten muss, sie zu wiederholen.
»Danke. Dann bis morgen. Gegen sieben?«
»Toll, bis dann.«
Ich lege auf und lasse mich gegen die Wand sinken. Die unerwartete Geschwindigkeit, mit der sich die Dinge entwickelt haben, macht mich schwindlig, und ich muss einige Male tief Luft holen. Wasser sickert aus meinem nassen Haar über meinen Rücken, und obwohl auf dem Flur angenehme zwanzig Grad herrschen, fröstle ich. Ich stecke die Hände in die Jackentaschen, um sie enger um mich zu ziehen, als meine Finger etwas streifen. Etwas Weiches, das trotzdem leicht kratzt. Verwirrt ziehe ich meine Hand heraus. Es ist dieses dämliche Heidekraut. Wie um alles in der Welt ist dieses Zeug denn dahin gekommen?
Ich gehe zum Mülleimer neben der Eingangstür, der überflüssigen Werbewurfsendungen vorbehalten ist, und will den Zweig gerade hineinwerfen, als mein Blick auf ein Päckchen auf der Fußmatte fällt. Es ist eines dieser Gratisgeschenke, die man mit der Post zugeschickt bekommt. Nur ist es diesmal keine widerlich schmeckende Dosensuppe oder ein Stück Seife, sondern eine Schachtel Rasierklingen. Ist das zu fassen? Ich hebe es auf. Nun brauche ich morgen doch nicht als Halb-Frau-halb-Affe vor die Tür zu gehen.
Fröhlich kehre ich ins Badezimmer zurück und nehme meinen Rasierer, um die Klinge auszuwechseln. Genau in diesem Moment fällt mir auf, dass ich noch immer den Heidekrautzweig in der Hand halte. Aus irgendeinem Grund bringe ich es nicht über mich, ihn wegzuwerfen. Vielleicht besitzt er ja tatsächlich Zauberkräfte. Zauberkräfte? Ich lächle ironisch. Heather Hamilton, was um alles in der Welt ist nur in dich gefahren? Natürlich besitzt er keine Zauberkräfte, sondern ist einfach eine Pflanze. Oder eine Blume?
Ich zwirble das Kraut zwischen Daumen und Zeigefinger und betrachte die zarten weißen Blüten. Abergläubischer Unsinn hin oder her - er ist eigentlich recht hübsch. Es kommt mir wie eine Schande vor, ihn einfach wegzuwerfen. Stattdessen gebe ich Wasser in den Deckel einer Deodorantdose und stelle das Heidekraut in seiner provisorischen Vase aufs Fensterbrett. Zumindest für den Augenblick.
KAPITEL 6
Am Ufer des Avon kauern einige Schüler des Kunstkurses an ihren runden Holzstaffeleien. Vor ihnen erstreckt sich die Landschaft von Shropshire mit ihren Schichten aus Himmel, Feldern und dem Fluss und lockt ihre Tuben mit Ölfarbe und ihre vollen Pinselgläser. Der Kurs ist Teil des Sommerstudienprogramms des Colleges von Bath, und die Schüler sind sogar aus Texas angereist, um in seinen Genuss zu kommen. Sie werden von Lionel unterrichtet, einem stämmigen, bärtigen Mittsechziger, der aussieht, als sei er mit einer Zeitmaschine aus der Ära der französischen Impressionisten in die Gegenwart gereist. Mit seinem farbverschmierten Kittel, seinem Halstuch und einer schräg sitzenden Baskenmütze auf den dichten schwarzen Locken, die man eher bei einem halb so alten Mann erwarten würde, schlendert er auf und ab und verteilt
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