Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For
kleinen Locken auf Ohrenhöhe.
James stand auf die Minute pünktlich vor meiner Tür und fuhr mit mir im Taxi zu diesem wunderbaren kleinen Italiener in Soho. Der Oberkellner führte uns zu unserem von Kerzenlicht erhellten Tisch in einer verschwiegenen, romantischen Ecke des Innenhofs. Der Kellner schenkte uns ein perfekt gekühltes Glas Champagner ein, und James meinte, wie reizend ich aussähe. Und dann entstand eine Pause.
Keine lange Pause im Sinne eines unbehaglichen Schweigens, sondern vielmehr eine bedeutungsschwangere Pause. Eine Pause, in der wir uns eigentlich in die Augen sehen sollten, ehe er mich anlächelt und ich zart erröte und sich alles so herrlich nach Flirt anfühlt.
Stattdessen tat ich das, was ich immer tue, wenn ich nervös werde und verlegen bin. Ich füllte die Stille. Schlimmer noch, ich füllte sie mit dem erstbesten Gedanken, der mir in den Sinn kam - eben jener Anekdote von Jack, dem Möchtegern-Rockstar. Und seinem Penis.
Ich blicke James über den Kerzenschein hinweg an und würde mich am liebsten unter dem Tisch verkriechen. »Äh … Ehrlich gesagt, kann ich mich nicht mehr genau daran erinnern«, erkläre ich ausweichend und nehme einen großen Schluck Champagner. Komm schon, Heather, lass dir etwas einfallen. Etwas Witziges. Etwas, das beweist, dass du keine penisbesessene Idiotin bist. Etwas, das euch beide interessiert. Ich zermartere mir das Hirn. Komm schon, denk nach. Denk nach.
In diesem Augenblick fällt es mir wie Schuppen von den Augen. »Ich lese gerade ein wunderbares Buch.«
Er sieht mich interessiert an. »Ach ja?«
»Ja. Es ist unglaublich.« Ich sehe ihm in die Augen, als ich mein As aus dem Ärmel ziehe. »Schiff bruch mit Tiger heißt es.« Ich versuche, nicht triumphierend zu lächeln, doch es fällt mir schwer. Ich bin so stolz auf meine Raffinesse, dass ich am liebsten mit mir selbst abklatschen würde.
»Oh, ja, es hat tolle Kritiken bekommen«, fängt er an, ehe er zu meiner grenzenlosen Verblüffung die Nase kraus zieht, »aber ich bin nicht über die ersten Kapitel hinausgekommen.«
Mein Magen sackt in sich zusammen. »Nein?«
»Nein. Am Ende habe ich aufgegeben. Es hat mich zu viel Überwindung gekostet. Offenbar bin ich ein wenig spießig.« Er streckt die Hand aus und streicht über meine Finger. »Aber erzähl mir doch, warum du dieses Buch so liebst?«
Prompt steigen mir vor Schreck die Champagnerblasen in die Nase, so dass ich Mühe habe, nicht zu prusten. »Äh …«
Oh Gott, ich und meine große Klappe. »… na ja …«
Wieder durchforste ich mein Gehirn nach einer passenden Erwiderung. Verdammt. Wäre ich doch bei den Penisgrößen geblieben.
»Es hat genau die richtige Größe, um es unter meinen Couchtisch zu schieben«, platze ich heraus. »Damit er nicht mehr wackelt.« Ich lache nervös.
James nicht. Lachen, meine ich. Nicht einmal der Funke eines Lächelns erscheint auf seinem Gesicht. »Oh, ach so.« Er scheint verwirrt zu sein. Wieder entsteht eine Pause. Nur dass es diesmal eindeutig eine verlegene Pause ist. Und ich diesmal nicht versuche, etwas dagegen zu unternehmen.
Zum Glück springt der Kellner ein, der in diesem Moment an unseren Tisch tritt, um die Bestellung aufzunehmen, und eine Reihe von Tagesgerichten herunterbetet. Huhn, Rind, Kaninchen, Pasta, Risotto, ein Dutzend verschiedene Salate …
»Mmm, klingt alles lecker«, murmelt James. »Wonach steht dir der Sinn, Liebling?«
Liebling?
Er sagt es so beiläufig, so natürlich und voller Zuneigung, so als hätte er gar nicht mitbekommen, dass das Wort über seine Lippen gekommen ist.
Aber er hat es gesagt.
Meine Verlegenheit ist wie weggeblasen. Ich kann es nicht fassen. Ein Kosewort. Viele Frauen warten jahrelang auf einen derartigen Intimitätsbeweis von einem Mann, und hier sitzt James, direkt vor mir, und sagt bei unserer ersten Verabredung »Liebling« zu mir. »Es klingt alles toll«, bestätige ich, als wäre nichts Besonderes passiert, obwohl ich in Wahrheit am liebsten auf die Toilette stürmen und Jess anrufen würde. Aber sie ist mit Greg und ihrer eigenen ersten Verabredung beschäftigt. Und selbst wenn es nicht so wäre - ich bin 30 Jahre alt und sollte eigentlich eine reife, weltgewandte Frau sein.
Ich setze mich auf meinem Stuhl auf und schenke James ein - wie ich hoffe - weltgewandtes Lächeln. »Aber ehrlich gesagt, bin ich Vegetarierin«, erkläre ich lässig. »Na ja, laut meinem Mitbewohner bin ich rein technisch gesehen Pescetarierin, da
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