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Der Wunschzettelzauber

Der Wunschzettelzauber

Titel: Der Wunschzettelzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Muriel Zagha
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langweilig geworden. Es ist das Bild mit dem Goldfisch. Wunderschön. Ich weiß noch, dass es mir sehr gefallen hat, die Farben sind so lebendig. Jetzt kann ich es kaum noch ansehen. Natalie, die auf demselben Stockwerk wohnt wie wir, ist bei mir. Ich kenne sie eigentlich nur von kurzen Begegnungen auf der Treppe, aber sie war es, die mich alarmiert hat und mich zum Krankenhaus gefahren hat. Ich fülle die Wartezeit, indem ich vor mich hin schwatze, ich sage ihr, dass ich mir keine wirklichen Sorgen mache. Es kann doch nichts Ernstes sein. Sie sagt eigentlich nichts. Sie sieht mich nur an.
6. Zu diesem Zeitpunkt hat Natalie mir nur gesagt, dass es Antoine »nicht gut geht«. Ich brauchte später Ewigkeiten, um herauszufinden, dass sie Angst hatte, mir die Wahrheit zu sagen. Sie befürchtete, dass ich eine Fehlgeburt erleiden könnte.
7. Als der Doktor kommt, stehe ich ungeschickt auf und werfe dabei meine Tasche um, so dass der Inhalt über den Boden verstreut wird. Er hilft mir, alles aufzuheben. Natalie hilft auch dabei. Sie reichen mir meine Utensilien: das Handy, die Geldbörse, die Bürste, die Ingwerbonbons, die ich gegen die morgendliche Übelkeit lutsche. Das Durcheinander schiebt das, was mir der Arzt in wenigen Minuten sagen muss, hinaus.
8. Dann spricht der Doktor. Ich bemerke, dass er ungefähr in Antoines Alter ist. Er ist ihm in diesem Krankenhaus auch sicher schon über den Weg gelaufen, aber das sagt er nicht. Stattdessen sagt er: »Votre mari a eu un accident cérébral, Madame . « ­Unfall, denke ich, das hört sich nicht so schlimm an. Unfälle passieren dauernd. Aber cérébral , das hat etwas mit dem Kopf zu tun, mit dem Gehirn. Hm, nicht gut. Natürlich wird Antoine wieder gesund werden. Ich: Ach, ist das so etwas wie (furchtbarer Gedanke) ein Schlaganfall? Nun, ja und nein, sagt der Doktor. Es ist so etwas wie eine hémorragie im Gehirn. Ich, in seltsam höflichem Ton und mit dem Gefühl, plötzlich wieder zwölf Jahre alt zu sein: eine hémorragie ? (Wieder so ein schreckliches Wort, aber erst mal Ruhe bewahren, das bedeutet nur Blutung. Nun ja, starke Blutung.) Ist er denn … bei Bewusstsein? Er: Nein, ­Madame. Leider nein. Es tut mir so leid. – Sein Blick geht zu Natalie hinüber, dann wieder zu mir zurück. Die Atmosphäre im Raum ist schrecklich, ganz schrecklich.
9. Er fragt: Hat Ihr Gatte öfter unter Kopfschmerzen gelitten? Ich muss erst eine Minute nachdenken, dann erinnere ich mich – sehr zufrieden mit mir, denn es scheint wichtig zu sein –, dass er tatsächlich schon mehrmals Kopfschmerzen hatte, seit wir zusammen sind. Ich sage: Ja! Das kommt vom Stress. Er steht bei der Arbeit sehr unter Druck. Ist immer in Eile. Sie wissen ja, wie das ist.
10. Der Doktor nickt. Er sagt, die Kopfschmerzen hätten ein Anzeichen, eine Vorwarnung sein können. Womöglich, man weiß es nicht. Dann sagt er, es ist schrecklich, es tut mir so leid, wissen Sie, so etwas passiert manchmal, wie aus dem Nichts heraus, ohne vorherige Anzeichen, als wenn man vom Blitz getroffen wird. Möglicherweise hatte Ihr Gatte plötzlich starke Kopfschmerzen. Dann hat er wohl sofort das Bewusstsein verloren. Ich: Ich kann mich nicht erinnern, dass ich etwas geantwortet habe. Ich habe in meiner Tasche herumgewühlt. Was habe ich da gesucht? Keine Ahnung. Ich weiß noch, dass ich dachte: als wenn man vom Blitz getroffen wird. Ich war sein erster coup de foudre. Der Blitz schlägt niemals zweimal hintereinander ein. Aber das hatte er. Das hatte er.
11. Man nennt es zerebrales Aneurysma, erklärt der Doktor. Sehr ungewöhnlich bei Männern in seinem Alter und auch nicht immer tödlich. Aber leider kann es vorkommen. Es tut mir schrecklich leid.
12. Mir ist kalt. Ich sage mir selbst, dass ich jetzt nicht Emergency Room schaue. Es geschieht wirklich. Ich muss das Richtige sagen und mich wie eine Erwachsene benehmen. Ich erinnere mich kaum, was danach alles geschah.
13. Was jetzt kommt, ist Hörensagen, aber ich habe es schon so oft wiederholt, dass ich das Gefühl habe, ich hätte es selbst miterlebt. Eigentlich war Natalie Zeuge des Ganzen. Sie war auch in der boulangerie. Antoine stand etwas vor ihr in der Warteschlange. Er war damit beschäftigt, nach seinen SMS-Nachrichten zu sehen, also ließ sie ihn in Ruhe. Er runzelte die Stirn. Das Nächste, was sie sah, war, dass er taumelte und

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