Der Wunschzettelzauber
würde es Zeit werden für die Cornflakes, für verschütteten Orangensaft und für die Tweenies .
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Es geschah in Paris
Stella hatte in einer der Sitzungen vorgeschlagen, Chloe sollte versuchen, sich in Form einer Liste an die Katastrophe zu erinnern, die ihr Leben so sehr erschüttert hatte. Wenn sie die Einzelheiten in einer Liste ordnete, würde das mit der Zeit ihre Erinnerungen an diesen schrecklichen Tag verändern. Sie hätte die ganze Situation besser im Griff, und alles wäre irgendwann weniger schmerzvoll. Chloe las sich diese Liste immer wieder durch und prüfte jedes Mal ihre emotionale Reaktion. Jeder neue Mann in ihrem Leben würde ein Mensch sein müssen, dem sie diese Liste zeigen konnte. Ja, sie schleppte emotionales Gepäck mit sich herum, und Nicolas ebenfalls.
Wie es geschah, in Etappen
1. Wo war ich damals gerade, als es geschah? Was tat ich? Ich saà zu Hause auf dem Sofa und lackierte mir die Zehennägel, die ich mit meinem dicken Bauch gerade noch erreichen konnte. Es war Sonntagmorgen, und Antoine war schnell fortgegangen, um frische Croissants für das Frühstück zu holen. Da hockte ich also und malte gemütlich an meinen Nägeln herum, lieà jede Schicht an jedem Nagel trocknen und dachte mir, wie entspannt es doch war, wenn Antoine während dieser Prozedur nicht dabei war. Er wäre ungeduldig geworden, weil er es immer gern sah, wenn alles rasch erledigt wurde. Darin waren wir sehr unterschiedlich â und ergänzten uns wunderbar. Ich empfand das gar nicht als störend. Ich meine, wer will denn schon seinen eigenen Klon heiraten, oder?
2. Während meine Zehennägel trockneten, blätterte ich gemütlich in einer Illustrierten herum. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber die Schwangerschaft hatte mich noch langsamer gemacht, als ich sonst schon war. Man lauscht mehr in sich hinein. Genüsslich las ich alles über die neuesten Modetrends. Ich stieà auf eine Werbung für Kinderkleidung und dachte darüber nach, welche Kleidung ich für unser Baby kaufen wollte. Französische Kinderkleidung ist so schön â diese Farben! Seltsamer Gedanke, dass Antoine diesen Genuss nicht teilen konnte, da er farbenblind war. Er konnte Blau und Gelb nicht unterscheiden. Aber wenigstens konnte er sehen, dass mein Haar rot war â das war ja schon etwas! Wir hatten uns daher darauf geeinigt, dass ich die Babykleidung und auch die Wandfarben für das Kinderzimmer aussuchen sollte â kein Problem. Ich blätterte weiter bis zu den Artikeln über Kosmetik und las sie in aller Ruhe. Dabei dachte ich mir: Wie ist das schön. Ich liebe Antoine, aber er scheucht mich immer. Es ist doch Wochenende, wozu also die Eile? Du solltest eine von meinen Beruhigungspillen nehmen, Mr Eildoktor. Wenn ich ihn so aufzog, erklärte er immer: Ich will keinen Moment verschwenden, wenn ich bei dir bin. Du bist so schön. Komm zu mir und küss mich.
3. Und so wartete ich auf seine Rückkehr wie ein Patient im Wartezimmer des Arztes. Ich vertiefte mich in einen Artikel über das richtige Auftragen von Eyeliner, um das Auge gröÃer zu machen. Dann hörte ich im Radio die Zeitansage und wunderte mich lediglich ein wenig, dass Antoine schon länger als eine Stunde fort war. Beim Bäcker musste die Warteschlange ja ellenlang sein, dachte ich. So etwas kam natürlich vor. Die Pariser waren eigen, was Brot, Croissants und diese herrlichen kleinen Kuchen betraf. Vor allem, wenn es um das Sonntagsfrühstück ging. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch Chloe, die Lässige, Chloe, die Optimistische. Ich hatte alle Zeit der Welt. Die Welt war für mich da, und ich hielt mich für unsterblich. Tut das nicht jeder?
4. Und dann, gerade als ich anfing, mich ernstlich zu fragen, was ihn aufgehalten hatte, klopfte es an der Tür. Das Klopfen wurde heftiger, und jemand rief meinen Namen: »Madame Regard? Chloé? Sind Sie da?« Das schreckte mich auf.
5. Etwas später. Ich sitze nun in einem echten Wartezimmer im Krankenhaus. Dies ist das Krankenhaus, in dem Antoine arbeitet, und es ist ganz in der Nähe unserer Wohnung, doch ich war noch nie vorher hier. Auf dem Tisch stehen Plastikblumen, und an der Wand hängt ein Gemälde von Matisse. Das Poster wirkt etwas zerschlissen, als hätten die Leute an den Ecken kleine Fetzen herausgerissen. Wahrscheinlich war ihnen das Warten zu
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