Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wunschzettelzauber

Der Wunschzettelzauber

Titel: Der Wunschzettelzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Muriel Zagha
Vom Netzwerk:
etwas erwidern, aber dann besann sie sich, schloss den Mund wieder, schaltete den Motor aus und beugte sich hinunter zu ihrer Tasche, die in Chloes Fußraum lag.
    Chloe wandte sich ruhig über die Schulter nach hinten um. Sie begegnete Nicolas’ Blick, der sie strahlend anlächelte. Sie erwiderte das Lächeln. Gott sei Dank, es ging ihm gut, er war nicht von Kummer überwältigt. Die Bemerkung über den gestorbenen Vater hatte nichts in ihm ausgelöst. Sie seufzte vor Erleichterung auf und vernahm von Sally eine Art Echo ihres Seufzers, während sie die Tür öffnete.

3
    Rosemary Street
    Chloe liebte alles Französische und umgab sich in einer Art fanatischer Parteinahme systematisch mit französischen Dingen. Sie benützte ein in England wenig bekanntes, wunderbar duftendes französisches Parfüm mit dem Namen Angéliques sous la Pluie , und kaum war sie ihr Schwangerschaftsübergewicht losgeworden, da trug sie wieder ihre hübschen, schlichten Kleider von Vanessa Bruno, Sandro und Maje – alles französische Designer, die sie in Paris entdeckt hatte.
    Ihr Haus war mit französischen Antiquitäten eingerichtet, mit Schränken, Betten und Stühlen im verspielten Louis- X V -Stil, die sie zum Teil in Trödelmärkten aufgestöbert und dann mit elegant wirkender blassgrauer Farbe neu gestrichen hatte.
    Sie besaß sämtliche Schwarz-Weiß-Filme der Nouvelle Vague von Jean-Luc Godard und François Truffaut auf DVD . Sie hatte die französischen Illustrierten Elle , Vogue und Marie-Claire Maison abonniert. Was Musik betraf, gefielen ihr bissig-ironische französische Pop-Bands und die erotisch-melancholischen Lieder, die Carla Bruni gesungen hatte, bevor sie Madame Bruni-Sarkozy wurde.
    Sie war Mitglied des Französischen Kulturinstituts in Kensington und schleppte hin und wieder Sally mit dem Versprechen auf das eine oder andere Gläschen Bordeaux zu einer der hochintellektuellen Diskussionsveranstaltungen, die dort im Café Philo stattfanden. Das gehörte zu den Dingen, die Antoine gefallen hätten, wenn sie zusammen in London gelebt hätten. Und wenn Chloe dann neben ihrer zunehmend gelangweilten und beschwipsten Freundin saß, schloss sie die Augen und stellte sich vor, sie befände sich am Rive Gauche in Paris.
    An fünf Tagen der Woche arbeitete sie in einem französischen Delikatessenladen, der mit gallischen Köstlichkeiten vollgestopft war, und genoss es, dass sie sich mit Lieferanten aus der Normandie, der Champagne oder der Provence fließend in deren Sprache verständigen konnte.
    Am meisten liebte sie vermutlich, dass der Name ihres Sohnes so französisch klang: Nicolas. Beide Großelternpaare hatten sich mittlerweile angewöhnt, den Jungen mit der Kurzform Nicky anzusprechen, aber Chloe tat das nie. Und wenn andere Leute ihn zu dem zweisilbigen Nich’las verkürzten, korrigierte sie sie sanft, aber nachdrücklich, bis sie ihn richtig französisch aussprachen: Ni-co-las , wie ein Reim auf chocolat .
    Es war, als wollte sie kein Jota ihres Französischseins aufgeben. Sie hütete es wie etwas Kostbares. Sie definierte damit ihr ganzes Leben in London. Ja, sie definierte damit ihre ganze Person, genau wie mit ihrem angeheirateten französischen Namen: einst war sie Chloe Hill gewesen, nun aber war sie Chloe Regard, französisch und ohne das »d« am Ende ausgesprochen, und sie war die Mutter von Nicolas Regard.
    Wenn sie hinter dem Ladentisch des Bon Vivant stand und beschäftigt war, eine Lachs-Sauerampfer-Quiche in einen Karton oder ein Glas Enten-Rillette in braunes Papier einzupacken, dann überlegte sie oft, ob es für sie und Nicolas nicht besser gewesen wäre, in Frankreich zu bleiben – in der Wohnung in Paris, die sie so sehr geliebt hatte, mit den hohen Fenstern und Fensterläden, dem gediegenen Parkettboden, den Stuckleisten im Second-Empire-Stil. Aber nein, korrigierte sie sich dann für gewöhnlich und fuhr unwillkürlich zusammen wie unter einem körperlichen Schmerz. Sie hätte nicht weiter dort wohnen und leben können. Nicht um alles in der Welt.
    Aber hätte sie sich vielleicht eine andere Wohnung in Paris suchen sollen? Nein , wehrte Chloe den Gedanken heftiger ab, als ihr bewusst war. Es hätte für sie nie eine andere Pariser Wohnung geben können. Da gab es nur die eine, die, in der sie so unendlich glücklich gewesen war,

Weitere Kostenlose Bücher