Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wunschzettelzauber

Der Wunschzettelzauber

Titel: Der Wunschzettelzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Muriel Zagha
Vom Netzwerk:
nicht auch noch tanzen musste. Doch nein, die Frau schnalzte mit den Fingern und wies auf die Trennwand aus Gips hinter ihr. Darin war, wie Chloe nun bemerkte, ein kunstvoller Kamin aus einer Art goldfarbenem Pappmaché angefertigt.
    Das Mienenspiel der Darstellerin wurde immer ausdrucksvoller. Chloe kniff die Augen zusammen und überlegte, was dies alles zu bedeuten hatte. Nun begann die Frau, sich zu krümmen, die Arme um die Schultern zu schlingen und sich zu winden, und schließlich tat sie einen vorsichtigen Schritt durch … eine unsichtbare Tür? Oder eine andere Öffnung?
    Â»Ah!«, rief Chloe aus. »Durch den Kamin? Soll ich durch den Kamin kriechen?«
    Sie bekam keine Antwort. Die Frau hatte sich zu dem Halbkreis von Sesseln zurückgezogen und begann wieder ihren einsamen, wilden Tanz. Zweifellos warteten draußen bereits die nächsten Bakterien darauf, eingelassen zu werden. Chloe betrachtete den Pappmaché-Kamin näher. Er hatte einen roten Samtvorhang wie eine kleine Bühne. Na gut. Sie ließ sich auf die Knie nieder, wühlte sich durch den Vorhang, kroch durch einen kurzen Tunnel, dann teilte sie wieder einen Vorhang und landete in dem nächsten Zimmer.
    Als sie sich aufrichtete, sah sie, dass sie richtig gehört hatte: Auf einer erhöhten Plattform spielte eine kleine Swing-Band vor etwa zwölf Zuhörern. Chloe blickte sich um, konnte aber keinen ihrer Freunde entdecken. Dann vernahm sie ein metallenes Scheppern, und eine Tür öffnete sich hinter der Bühne. Ein Darsteller, der sich deutlich als ein zweiter Marcel Marceau kostümiert hatte, machte Chloe und den anderen ein Zeichen, und sie folgten ihm.
    Sie spazierten weiter wie in einem Traum. Wie schwebend wanderte Chloe durch einen wunderschönen Raum, der so von Strahlern beleuchtet war, dass man das Gefühl hatte, sich unter Wasser zu befinden. Darsteller in Badekostümen von 1920 spielten eine Art Komödie. Dann wurde Chloe mit drei weiteren verzückten Gästen in einen engen Aufzug geschoben, der so ausstaffiert worden war, dass er wie ein überfüllter Schrank wirkte. Es war sehr witzig gemacht, und Chloe hatte ihren Spaß daran.
    Der einzige irritierende Moment kam gegen Ende, als sie ihre Freunde wiedergefunden hatte und alle auf Bänken saßen und lauschten, während die Darsteller sich in eine heiße und ziemlich diffuse politische Debatte über die Weltwirtschaft stürzten. Chloes Blicke wanderten über das Publikum hinweg, und sie glaubte, den Macchiato-Mann entdeckt zu haben.
    Ã„rgerlich verzog sie das Gesicht. Warum musste ausgerechnet er auch hier sein? War es nicht schon genug, wenn sie ihm im Supermarkt und auf der Straße über den Weg lief? Gestern war sie mit ­Giles im Park gewesen und hatte ihn bei einem Winterpicknick mit dem höchst attraktiven brasilianischen Kindermädchen gesehen – der Samba-Königin, wie Chloe sie nur nannte. Auch Katie war da gewesen und rannte mit den kleinen Schützlingen des Kindermädchens umher. Alles hatte sehr altmodisch und romantisch gewirkt. Sie saßen auf Decken und waren perfekt ausstaffiert. Nun ja, eins musste man ihm lassen: Er hatte Stil.
    Sie hatte einen kurzen, bedeutungsvollen Blick mit Giles gewechselt, bevor sie an dem Macchiato-Mann vorbeigeschritten waren. Giles hatte ihn nicht gegrüßt, und Chloe wollte es genauso machen, konnte aber nicht widerstehen, einen kurzen Blick über die Schulter zu werfen. Vielleicht würde er Hallo sagen, und dann wäre es unhöflich, nicht zu antworten. Der Macchiato-Mann aber hatte nur Augen und Ohren für seine Begleiterin.
    Chloe wandte sich empört ab. Was für ein Rüpel! Nun ja, dann war die Sachlage wenigstens eindeutig. Die Samba-Königin war offensichtlich sein derzeitiges Projekt, und er wollte kein Risiko eingehen, indem er in ihrer Gegenwart eine andere Frau grüßte.
    Und nun, um allem die Krone aufzusetzen, war er hier im Theater – und verfolgte sie wie ein Spuk. Sie warf einen zweiten Blick hinüber. Vielleicht hatte sie sich geirrt, und es war jemand, der ihm nur auf den ersten Blick ähnlich sah. Aber Pech gehabt: Er war es. Und Anne/Anna und das Shampoo-Girl saßen links und rechts von ihm.
    Wenige Augenblicke später bemerkte sie plötzlich, dass der Diamant in ihrem Verlobungsring fehlte – erschrocken blickte sie auf die kleine, leere Fassung an dem schmalen

Weitere Kostenlose Bücher