Der Wunschzettelzauber
bezeichnet wurde, wurde dabei von den einzelnen Darstellern geführt. Philip zeigte sich beeindruckt davon, dass in der Truppe eine bekannte Tänzerin und Schauspielerin namens Karen Kessler mitwirkte. Chloe vermeinte, bei diesem Namen eine Glocke läuten zu hören, obwohl sie diese Künstlerin noch nie gesehen hatte. Auf alle Fälle, meinte ihr Bruder James abschlieÃend begeistert, würden sie sicher einen Mordsspaà bei dieser Kunstdarmwanderung haben.
Dann ging es los. Alle Gäste wurden über eine schmale Metalltreppe hinauf in einen mit Stoffbahnen verhüllten Raum geführt, der voller regloser Darsteller war, deren Gesichter sich unter dicker Schminke verbargen. Als der Raum plötzlich in Dunkelheit versank, griff Chloe hastig nach Kajas Arm. Zuerst hörte man erschrockenes Luftholen und Gekicher, das dann erstarb, als eine körperlose Stimme begann, feierlich Worte zu deklamieren, die sich später als Auszüge aus Karl Marxâ Kapital herausstellten. SchlieÃlich ging das Ganze in den verstörten Singsang eines Irren über.
Zur allgemeinen Erleichterung wurde dann der Boden unter ihnen plötzlich hell. Er war aus transparentem Material, und man konnte durch ihn hindurch Darsteller sehen, die in dem Raum darunter eine Szene spielten. Man verstand nicht sofort, worum es ging, doch das Publikum lauschte fasziniert. Chloe sah sich um und erspähte ihre Freundinnen. Dann begegnete ihr Blick dem von Sallys Kollegen Craig, und er zog die Schultern hoch und lächelte, als wollte er sagen Weià der Himmel, was das alles soll . Sie erwiderte das Lächeln und entspannte sich ein wenig. Craig schien ganz nett zu sein, ebenso David, der Yogi. Und auÃerdem, dachte Chloe erleichtert, war es unverkrampfter und angenehmer, auf die Art und Weise einen Mann kennenzulernen, als bei einer steifen Dinnerparty.
Nach einer Weile stellte sie tatsächlich fest, dass sie sich darauf freute, nach der Vorstellung mit den anderen noch in den nächsten Pub zu gehen. Es würde ihr guttun, sich wieder auf diese ganz normale Seite des Lebens einzulassen â in einem überfüllten Lokal zu stehen, an einem Wodka Tonic zu nippen und über dies und das mit ein paar netten Kerlen zu schwatzen, die Freunde von Freunden waren. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie noch wusste, wie das ging.
Wieder wurde der Raum dunkel, und diesmal fühlte Chloe, wie sie von einem der Darsteller, einem Mädchen in burleskem Outfit, das stark, aber nicht unangenehm nach Puder und Schminkfett roch, sanft von ihren Freunden getrennt und weitere Treppen hinaufgeführt wurde. Unterwegs erspähte sie schemenhaft andere Zuhörer, die ebenfalls geleitet wurden. SchlieÃlich erreichten sie eine kleine Tür, auf die das Mädchen mit graziöser Geste deutete, bevor es davonging.
»Ãh, danke«, murmelte Chloe, nun allein in dem stillen Raum. Langsam begriff sie, was Philip gemeint hatte. Es war eindeutig verstörend. Sie kam sich fast wie eine »Big Brother«-Kandidatin in einer fremdartigen Parallelwelt vor. Mutig stieà sie die Tür auf und rief leise: »Hallo?« Nun befand sie sich in einem kunstvoll beleuchteten, fensterlosen Raum mit einem mittelalterlich wirkenden Himmelbett und mehreren altersschwachen, in einem Halbkreis aufgestellten Sesseln darin. Davor drehte sich eine schöne, extrem schlanke Tänzerin in einem schäbigen Ballkleid und mit dicker Schminke auf dem Gesicht um sich selbst. Mit ausgestreckten Armen vollführte sie wilde Pirouetten.
Chloe sah ihr eine Weile zu, eigentlich mehr aus Höflichkeit, und fragte sich, ob die Szene nun vorbei wäre oder ob noch andere Figuren auftauchen würden. Sie glaubte, von nebenan Musik und den Klang von Stimmen zu hören. Nach einer Weile raffte die Tänzerin ihre weiten Röcke und machte barfüÃig einige schwerfällig hüpfende Tanzschritte auf Chloe zu, bis sie direkt vor ihr zu stehen kam. Chloe fand es ein bisschen beunruhigend, sie so dicht vor sich zu haben â sie konnte sogar die Poren im Gesicht der Frau erkennen. Ihre Blicke trafen sich. Die Augen der Tänzerin waren riesengroà und mit langen, falschen Wimpern gesäumt, in denen Kunststoff-Tränen hingen. Es war sehr seltsam, denn obwohl Chloe sich sicher war, diese Frau nie zuvor gesehen zu haben, fühlte sie doch so etwas wie eine Verbindung zwischen ihnen.
Chloe hoffte sehr, dass sie jetzt
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