Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman

Titel: Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Cossé
Vom Netzwerk:
angegriffenen Personen wissen, angefangen bei ihrem Namen. Das ist doch selbstverständlich.«
    »Vielleicht sollten wir Ihnen auch alles über die übrigen Komiteemitglieder erzählen«, meinte Van.
    »Ja, vielleicht«, sagte Heffner. »Aber fangen wir beim Anfang an. Das erste Attentat.«
    »Was geschehen ist?«, fragte Van.
    »Was man Ihnen darüber gesagt hat.«
    »Ja, es ist gut, dass Sie diese beiden Ebenen voneinander trennen. Von allen drei Angriffen weiß ich nur, was die Betroffenen mir darüber gesagt haben. Ich habe nichts überprüft oder abgeglichen.«
    »Jedem Schuster seine Leisten. Erzählen Sie.«
    Was Ivan über Néant-Néon wusste, war eigentlich nicht viel. Ein großer Prosaist, ein großer Depressiver. Das ganze Jahr über von der Unfähigkeit zu schreiben gequält und in großen Abständen von einer unbarmherzigen Inspiration durchzuckt. Sehr berühmt und sehr unbekannt – von einem ganz kleinen literarischen Zirkel bewundert, von der großen Menge ignoriert. Unfähig zu schreiben, unfähig, etwas anderes zu tun. Ein Bär in Ketten. Unbeständig und von Ängsten bedrängt. Menschenfeind und Alkoholiker. Der sich in ein tristes Alpendorf geflüchtet hat, Les Crêts, zwei Autostunden von Chambéry entfernt. Trotz allem Freunde, Frauen. Eine, die besonders an ihm hängt, Suzon. Er hingegen: undankbar, unfreundlich und verschlossen. Und seit mehreren Monaten in einer völligen Flaute. Besäufnisse und schlechter Schlaf. Schöpferische Impotenz.
    Ivan schilderte kurz den Tötungsversuch. »Man hat ihn zum Trinken gezwungen und dabei auch noch dafür gesorgt, dass er die Flasche in eigenen Händen hielt«, schloss er. »Dafür schämt er sich bis heute am meisten.«
    »Wie geht es ihm jetzt?«, fragte Heffner.
    »Seine Krankheit lässt sich nicht heilen. Trotzdem gibt es eine Radikalkur: Wenn er weiterleben will, darf er nie wieder einen Tropfen Alkohol trinken. Sie werden ihn nicht sonderlich lange im Krankenhaus Lyon behalten. In ein paar Tagen wird er wieder ins normale Leben entlassen. Er weiß übrigens nicht, wohin er jetzt soll. Es kommt nicht infrage, dass er wieder nach Les Crêts zieht.«
    »Ein lösbares Problem«, meinte Heffner.
    Er machte sich ein paar Notizen, ohne Ivan aus den Augen zu lassen, einzelne Wörter, so schien es, in sehr enger Schrift. Dann wandte sich Heffner an Francesca.
    »Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?«
    »Nein. Über diesen und die beiden anderen Anschläge weiß ich weit weniger als Ivan. Alle drei Opfer haben ihn kontaktiert, und er hat mir dann heute Morgen davon berichtet. Néon ist wie ein waidwundes Tier, würde ich sagen. Er schreibt wie kein anderer, doch wenn es ihm schlecht geht, kann er unerträglich sein.«
    »An dem Tag im August, als er in die Buchhandlung kam, war er wirklich ein bisschen schwierig«, stimmte ihr Van zu. »Ich habe ihn so rasch wie möglich in den Zug verfrachtet.«
    »Ja, das erzählten Sie eben.« Heffner wollte offensichtlich keine Zeit verschwenden. »Und das zweite Attentat?«
    »Ida Messmer. Eine ganz andere Geschichte«, begann Ivan. »Wir haben Ida einmal gesehen, auf dem Schloss von Montsoreau. Ein außergewöhnliches, fast fantastisches Erlebnis.«
    Wieder wurde Heffner ungeduldig.
    »Sie hat Sie am Samstag angerufen, sagten Sie?«
    Sie hatte Van in der Buchhandlung erreicht, sie sprach leise und sagte gleich, sie müsse sich kurzfassen. Er hatte ihr zugehört, ohne sie zu unterbrechen. Und entdeckte eine Ida, wie er sie sich nicht hatte vorstellen können, eine leidenschaftliche, tatkräftige, extrovertierte Mutter, die fest in ihr Umfeld eingebunden war. Eine erfahrene Autofahrerin, die wusste, wie unwahrscheinlich ihre Geschichte klang. Vernünftige Geschwindigkeit, trockene Straße. Eine Kurve, die sie vier Mal am Tag fuhr, zwei Mal in jede Richtung. Und am 15. November um sechzehn Uhr zwanzig steht plötzlich eine große Limousine quer vor ihr auf der Straße.
    »Ist sie verletzt?«, fragte Heffner.
    »Ja, und sie steht unter Schock. Sie hat jeden Tag schreckliche Kopfschmerzen.«
    »Und das dritte Attentat?«, fragte Heffner, anscheinend unbewegt.
    »Davon erfuhr ich gestern«, sagte Van. »Diesmal war Le Gall im Visier. Und wieder einmal war es maßgeschneidert. Feinstens auf Le Gall abgestimmt, was beweist, dass sie ihn sehr gut kannten. Wie sie auch Paul und Ida gut gekannt haben müssen. Am Samstag, dem 19. November wandert Le Gall wie jeden Tag über einen Zöllnerpfad hoch über dem Meer. An diesem Morgen

Weitere Kostenlose Bücher