Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman
wirklich Reichen. Doch trotz all seiner Anstrengungen zu gefallen, zu lavieren und zu verleumden, trotz der Steigbügel, der Titel und der unzähligen eigennützigen Freundschaften war sein Ruf als uninteressanter Autor erstaunlich realitätsnah und stabil geblieben.
»Als er sah, dass Der gute Roman kein einziges Buch von ihm im Sortiment hatte, geriet er in Wut«, sagte Heffner. »Er ist ein berechnender Mensch. Er hat sich nie an vorderster Front gezeigt. Er hat einige Dutzend Autoren aufgespürt, die wie er ein wenig bekannt und ein wenig trivial waren und genauso wenig in Ihrer Buchhandlung vertreten wie er. Er hat sie einen nach dem anderen kontaktiert und instrumentalisiert. Und er hat die vier oder fünf von ihnen aufgestachelt, die nur noch über den Computer mit der Welt in Verbindung stehen, die alles Mögliche im Netz mitteilen, verbreiten, die dort beeinflussen und verunglimpfen – wie es Einzelne aus den früheren Generationen am Telefon taten. Er feilte an diesen Mordplänen und ließ hier und da entsprechende Ratschläge fallen, um dann mit äußerster Genugtuung von deren Ausführung zu lesen oder zu hören.
Man hat mir oft von ihm erzählt. Er hat sich Gewährsleute in der Presse verschafft: Er hat die geniale Gabe, in jeder sozialen Gruppe den nicht emporgekommenen oder jedenfalls nach eigener Einschätzung nicht weit genug emporgekommenen Emporkömmling zu erkennen, der fast platzt vor Frustration und Gier und panisch zusieht, wie die Zeit vergeht und Jahr für Jahr junge, gefeierte Talente auftauchen.
Er hat die Bestsellerverleger abgeklappert und ihnen Angst gemacht. Diese Leute sind sich ja der Hochstapelei bewusst, die sie verkörpern, am Leben halten und fortzeugen: Niemand hat so viel Angst wie sie, als Kaiser ohne Kleider erkannt zu werden.
Auch die Buchkaufhäuser hat Ervé in Alarmzustand versetzt. ›Die Zeiten sind so schon hart genug‹, sagte er ihnen, ›das Internet nimmt Ihnen schon Millionen Kunden weg. Und jetzt stellen Sie sich mal vor, da kommt so ein unverschämter Qualitätsanspruch und macht Ihnen Konkurrenz, so eine Art Öko-Konsumbewegung auf dem Literaturmarkt. Ein Quatsch wie dieser kann in zehn Jahren weltweite Strömungen auslösen. Stellen Sie sich vor, Ihren Waren passiert dasselbe, was dem Tabak schon passiert ist und wertlosen Nahrungsmitteln bald passieren könnte, dass die Leute sie um ihrer geistigen Gesundheit und Entgiftung willen nicht mehr kaufen.‹«
Die Quelle des Abéha-Artikels, in dem zum Angriff geblasen worden war, hatte Heffner mithilfe des für die Meinungsseite zuständigen Le-Ponte- Redakteurs ausfindig machen können. Ein Vernehmungsauftrag löst die Zunge. Ervé hatte diesen Artikel geschrieben und ihn dann Malinovic vorgelegt, dem korrupten Verleger. Ervé hatte sich bescheiden gegeben: Wär das was? Finden Sie das gut? Wie kann man das veröffentlichen? Weder Sie noch ich dürfen das unterschreiben. Malinovic kümmerte sich darum.
»Bitte glauben Sie nicht, hier sei von der gesamten Buchbranche die Rede«, sagte Heffner. »Sie wissen genauso gut wie ich, dass es so schlimm nicht ist. Es handelt sich sogar nur um eine Minderheit. All die, denen ich etwas nachweisen konnte und die ich als Bewegung betrachte, machen insgesamt nicht mehr als hundert Personen aus. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass es Autoren und Leute aus der Presse, dem Verlagswesen und dem Buchhandel sind. Und viele von ihnen üben mehrere Tätigkeiten aus, sie sind zugleich Autoren, Journalisten, Verleger und Juroren. Viele der Romanciers, die sich darüber ärgern, nicht im Sortiment des Guten Romans vertreten zu sein, haben einen langen Arm. Sie sitzen zum Beispiel in den Jurys der Literaturpreise, damit haben sie unter Umständen solche Journalisten in der Hand, die zugleich Schriftsteller sind und auf einen Preis hoffen. Andere – oder dieselben – Romanciers arbeiten für die Presse. Das allein schon macht sie, wenn sie den Verlagen und deren Programmen nicht zu ablehnend gegenüberstehen, zu vorrangigen Kandidaten für die Preise – von denen einige bekanntlich zwischen Verlegern und Juroren ausgehandelt werden. Und damit diese gesprächsoffen bleiben, werden sie von den betreffenden Verlegern verlegt, auch wenn die Bücher sehr mittelmäßig sind. Weshalb Sie sie ja nicht in Ihrer Buchhandlung haben.
Der gute Roman irritiert sämtliche Elemente einer sehr kleinen Menge aus einem bestimmten sozialen und beruflichen Umfeld. Und ich betone noch einmal, es liegt
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