Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman
fünfzig Meter entfernten Freude am Roman .
Im Exzellenten gab es weniger Bücher, in etwa so viel wie im Guten Roman . Doch hier hörte die Ähnlichkeit auch schon auf. Binnen einer Woche war eine ganze Riege von Freunden des Guten Romans in zerstreuter Formation in den Exzellenten Roman eingefallen, um zu sehen, was dort verkauft wurde. Und alle sagten sie dasselbe: Dort wurde genau das verkauft, was Der gute Roman nicht verkaufte, all diese zusammengeschusterten Romane, die gar nicht so schlecht zu sein scheinen, aber die Literatur in Lebensgefahr bringen.
Die Leute, die den Exzellenten konzipiert hatten, hatten sich wohl einige Mühe gegeben: Anscheinend war bei ihnen nicht ein Buch zu finden, das im Guten Roman stand. Gar nicht so dumm, dachte Van. Sie setzen aufs Relativieren. Sie behaupten, Ihre Auswahl sei gut? Wir finden unsere exzellent.
In diesem Fall keine Werbung, keine großen Inserate, keine Werbetafeln in den Schaufenstern. »Ich glaube, ich verstehe«, sagte Van. »Sie wollen nicht anders sein oder besser als wir, sie wollen einfach mit uns verwechselt werden.«
Ihm machte Sorgen, wie Francesca auf das Ganze reagierte. Als hätte sie nichts gesehen. Sie verhielt sich, als gäbe es die neue Buchhandlung gar nicht. Wenn man in ihrem Beisein davon sprach, hörte sie nicht zu. Wenn man sie direkt fragte, was sie davon hielt, wich sie der Frage aus.
Und bei genauerem Hinsehen fiel Van auf, dass sie beide Konkurrenz-Buchhandlungen gleichermaßen zu leugnen schien, sie schien sie nicht wichtiger zu nehmen als irgendwelche Modeboutiquen.
Oscar, de Winter und einige andere versuchten, mit den Buchhändlern beider Buchhandlungen ins Gespräch zu kommen. Und lernten gewiefte Menschen kennen, die ein wenig gelesen hatten und auf die Frage nach dem Gesichtspunkt, unter dem sie ihre Bücher auswählten, mit größter Selbstverständlichkeit antworteten: die Aktualität. In der Freude war es ein etwas rundlicher, eher jovialer Mann in den Sechzigern, unterstützt von einer hübschen Brünetten, die sich als promovierende Literaturwissenschaftlerin vorstellte, im Exzellenten ein reservierter Südfranzose, in dem de Winter einen aus dem Larzac – vor den Schafen, nicht vor dem Militär – Geflohenen vermutete und der behauptete, er habe schon immer im Buchhandel gearbeitet.
Folco schickte seine beiden Töchter am selben Tag mit derselben Frage in beide Geschäfte. Sie waren Zwillinge, sechsundzwanzig Jahre alt und dem Guten Roman treu ergeben, sie hätten alles für ihn getan. Jede an ihrem Ende der Straße, begannen sie gleichzeitig in den Büchern zu blättern, Fragen zu einem Titel zu stellen – »Es soll da eine Biografie von Dan Brown geben, von seiner Frau geschrieben« –, die Januar-Neuerscheinungen zu diskutieren und schließlich zu fragen: »Sie sind doch noch nicht lange hier? Ich kannte Ihre Buchhandlung jedenfalls noch nicht. Ist es nicht ganz schön mutig, sich heutzutage in so ein Abenteuer zu stürzen? Sind Sie der Eigentümer?«
Bei dieser Frage, so berichtete Mireille, habe der Sechzigjährige in der Freude ein kleines Lächeln nicht unterdrücken können. »O nein, ich nicht«, hatte er geantwortet, in einem Ton, der deutlich machen sollte, dass man von ihm nicht mehr erfahren werde. »Wer denn?«, hatte Mireille gefragt. »Ein Investor«, war die Antwort gewesen.
Im Exzellenten reagierte der an einen Hirten erinnernde Mann geschickter. Man habe ihm nichts vom Gesicht ablesen können, sagte Magali. Er hatte dem Mädchen offen in die Augen gesehen und gesagt: »Ein Kollektiv, glaube ich. Irgend so ein Zusammenschluss. Ich wurde von einer Jobagentur eingestellt. Ich habe immer nur mit einem Geschäftsführer zu tun, einem gewissen Pierre oder Paul Martin.«
Van verschaffte sich Einblick in die Handelsregister-Auszüge der beiden Buchhandlungen. Die Namen der darin genannten Gesellschaften sagten ihm nichts. Aubert, der Buchhalter des Guten Romans , stellte Nachforschungen an. Die eine Gesellschaft war im November gegründet worden, die andere im Dezember.
Die Presse reagierte erstaunlich schnell. Nichts weckt mehr Aufmerksamkeit als ein Wortspiel. Die Namen der beiden Buchhandlungen kursierten in den Redaktionen wie der Witz eines Ministers oder ein Werbeslogan, der binnen einer Woche zum Sprichwort mutiert.
So wenig interessiert die Zeitungen an der Strafanzeige gegen unbekannt, die Der gute Roman gestellt hatte, gewesen waren, so rasch waren sie nun zur Stelle, um die Geburt dessen
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