Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman

Titel: Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Cossé
Vom Netzwerk:
stark gesunken. Ab Mitte Februar wurde der Umschwung spürbar. Und die Kurve fiel immer schneller.
    Van wusste nicht, wie er es Francesca sagen sollte. Aber er musste sich endlich dazu entschließen. Früher oder später würde sie ihn danach fragen. Besser, er kam ihr zuvor. Je länger er wartete, desto schwerer würde es ihm fallen.
    Am 1. März gab er sich noch eine Woche. Das Wetter war immer noch schlecht. An dem einen Tag schneite es, am nächsten regnete es.
    Am 8. März regnete es ohne Unterlass. Und es kam so, wie Van es befürchtet hatte. Als Francesca abends die Buchhandlung verlassen wollte, fragte sie mit seltsam traurig klingender Munterkeit: »So viele Leute, so viel Betrieb, da haben wir doch sicher viel verkauft?«
    »Nein«, erwiderte Van. »Darüber wollte ich mit Ihnen sprechen.«
    Es war kein guter Zeitpunkt für ein Gespräch, es waren noch Kunden in der Buchhandlung.
    »Nein«, wiederholte Van. »Das Geschäft läuft nicht besonders gut. Wir sind in eine schwierige Phase eingetreten. Francesca, wir sollten in Ruhe darüber reden. Würde Ihnen morgen passen? Zum Mittagessen?«
    Francesca lächelte immer noch. Sie nickte. Van war sich fast sicher, dass sie nichts Neues erfahren hatte, als er ihr die Wahrheit gesagt hatte.
    Am nächsten Tag regnete es immer noch. Francesca kam nicht in die Buchhandlung. Um halb eins rief Van in der Rue de Condé an. Es dauerte eine Weile, bis sie abnahm. »Ich habe noch geschlafen«, sagte Francesca tonlos. »Ich habe um sechs Uhr morgens ein … Beruhigungsmittel genommen, das hätte ich so spät nicht tun sollen.«
    Sie hatte mehrmals mitten im Satz geatmet, was sonst nicht ihre Art war.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Van.
    »Ja«, sagte sie.
    Van dachte einen Augenblick lang, sie würde nichts mehr dazu sagen. Doch sie sprach weiter, immer noch tonlos und abgehackt.
    »Um Mitternacht hatte ich eine Unterredung mit Henri … es war ein wenig anstrengend. Wahrscheinlich hat mich … das die ganze Nacht lang wach gehalten. Es ist schon komisch, was manchmal so zusammentrifft. Er kam nach Hause. Ich wollte gar nicht mit ihm über den Guten Roman sprechen, nach dem, was Sie … mir gesagt hatten. Aber er fing damit an: Das muss ja ein harter Schlag sein für Sie, diese Vermehrung von Buchhandlungen in der Nachbarschaft. Ich weiß nicht, warum, aber ich antwortete: Ja, tatsächlich. Es war, als … als hätte ich mit diesen zwei Wörtern eine Schleuse geöffnet.
    Er wirkte ziemlich überheblich, als er sagte: ›Ich hatte Sie gewarnt. Das war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Eins habe ich nach dreißig Jahren im Geschäftsleben gelernt: Nicht die Qualität gewinnt, sondern der Schund. Das sieht man in allen Bereichen. Billige Haushaltsgeräte, Klamotten zu Centbeträgen, ultrahohle Presse – das setzt sich durch. Und das Verlagswesen ist da keine Ausnahme. Sehen Sie sich doch die Star-Romanciers an … Es gibt zwar noch ein paar ausgemergelte Ritter, die für die Dame Literatur ins Turnier ziehen, Ihre geliebten Berger und Bouvier zum Beispiel. Doch ihre Zelte stehen auf traurigem Ödland, sie werden nicht mehr lange durchhalten.‹«
    Van, der den Hörer dicht ans Ohr hielt, senkte den Kopf, um sie besser zur hören.
    »Was mich so verletzt hat«, sagte Francesca, »das war seine Freude. In seinen Augen leuchtete ein solcher Triumph, dass mir plötzlich eine Frage durch den Kopf schoss, aber eben dieser leuchtende Triumph hielt mich davon ab, sie ihm zu stellen. Hatte oder hat er etwas mit diesem Versuch zu tun, uns in einer Schwemme von Schund untergehen zu lassen?«
    Van drängte weiter auf ein gemeinsames Mittagessen. »Ich habe es nicht eilig«, sagte er. »Ich habe hier noch zu tun und kann wunderbar auf Sie warten.« Und er setzte hinzu: »Wir sind nicht die Ersten, die mit Absatzschwierigkeiten kämpfen. Und ich habe mir schon ein paar Maßnahmen ausgedacht.«
    Er meinte es ernst.
    »Geben Sie mir eine Stunde«, sagte Francesca. »Ich komme.«
    Eine Stunde später war sie nicht da. Van wartete noch eine weitere halbe Stunde und rief dann bei ihr an. Niemand hob ab.
    Er glaubte, Francesca sei wieder eingeschlafen, und war in gewisser Weise froh darüber. Wenn sie schläft, hat sie Frieden, dachte er. Und korrigierte sich: Im Schlaf hat sie mehr Aussicht auf Frieden als im Wachen. Später sollte er mit Schrecken an diese Vermutungen zurückdenken, die falsch waren, aber nicht weit von der Wahrheit entfernt.
    Er ging eine Kleinigkeit essen. Der

Weitere Kostenlose Bücher