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Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman

Titel: Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Cossé
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hatte die Farbe gefrorenen Schlamms. Van nahm Francesca am Ellbogen – er sah, dass sie schon ganz starr vor Kälte war – und zog Heffner mit. »Lassen Sie uns im Warmen weiterreden«, sagte er. »Haben Sie noch einen Augenblick Zeit?«
    Sie gingen ins nächstgelegene Café, an der Ecke Quai SaintMichel und Rue du Petit-Pont. Es war sehr voll. Der Fliesenboden war schmutzig und feucht. »Wunderbar«, sagte Francesca und hielt Van so davon ab, gleich wieder kehrtzumachen. »Lärm und Rauch, das ist mir heute sehr recht.«
    »Sie können Widerspruch gegen Blins Entscheidung einlegen«, sagte Heffner, als sie am Tisch saßen. »Aber das würde ich Ihnen nicht empfehlen. So wie die Sache liegt, würde Ihnen das nichts einbringen. Aber ich selbst wäre durchaus geneigt, den Fall weiterzuverfolgen.«
    »Wozu?«, frage Francesca hart.
    »Um zu wissen, um mehr zu wissen.«
    Er erklärte es eine Stunde lang. Er hatte sehr viele Annahmen, Fastbeweise und Überzeugungen, für die er seine Hand ins Feuer gelegt hätte, aber nichts klar Nachweisbares oder Unbestreitbares. »Keinen betonharten Beweis für den Richter«, sagte er.
    Man habe es mit vorsichtigen Leuten zu tun, die sehr bedacht seien, sich im Rahmen der Legalität zu halten und, wenn sie ihn doch einmal verließen, alle Spuren zu verwischen.
    Eins stand für Heffner fest. Alle, die es seit einem Jahr auf die Buchhandlung abgesehen hatten, waren nicht zufällig als Verbündete aufeinandergestoßen.
    Van hatte lange geglaubt und Francesca noch länger einzureden versucht, der erste Faustschlag – der erste bösartige Artikel – hätte bei sehr vielen karrierebesessenen Autoren, skrupellosen Verlegern, käuflichen Juroren und Journalisten, die es sich in ihrer Faulheit und einer Machtposition, die sie sonst nirgends hätten erlangen können, gut gehen ließen, Hassgefühle freigesetzt und ihnen eine Rechtfertigung für Wutausbrüche geliefert. Doch Heffner hielt diese Theorie der unorganisierten und immer größere Wellen schlagenden Bewegung für falsch.
    Er glaubte auch nicht an die Komplotttheorie, die Francesca gleich bei der ersten Pressekampagne aufgestellt hatte. Das Szenario der gut organisierten Gruppe, die methodisch an der Zerstörung des Guten Romans arbeitete, hielt seinen Untersuchungsergebnissen genauso wenig stand.
    Die Wahrheit lag dazwischen. Und enthielt Elemente beider Hypothesen. Heffner sprach nicht von einer Gruppe, sondern von einer Bewegung, die, zumindest anfangs, nicht von kühl denkenden Geistern, sondern von einem Tobsüchtigen angeführt worden sei.
    »Von einem Tobsüchtigen im eigentlichen Sinne«, sagte er. »Denn Kunst und kulturelle Einrichtungen sind Schauplätze von Wahnsinn und Gewalt. Alle Welt weiß, dass die Leidenschaften der Liebe keine Grenzen kennen. Man vermutet, dass in der Politik außergewöhnlich harte Gegnerschaften bestehen und so mancher Ehrgeiz zu allem befähigt. Jedermann weiß, dass man sich seinen Platz in einem Unternehmen mit der Machete frei hauen muss. Inzwischen ist auch bekannt, dass der Sport nicht mehr viel mit Spiel zu tun hat und auf seinem Gebiet alle Mittel recht sind, auch Lüge, Korruption und Einschüchterung. Doch es ist nicht hinreichend bekannt, und es wird aus diffusen idealistischen Gründen auch zu selten vermutet, dass die künstlerische Schöpfung und alle Strukturen, in denen sie stattfindet und verkauft wird, ebenfalls ein Kraftfeld des Hasses sind, mit dem Neid als Triebfeder und – wenigstens in Frankreich – dem ideologischen Rufmord als Waffe.
    Der Tobsüchtige heißt Eric Ervé. Er ist derjenige, dessen Spuren ich überall dort fand, wo ich nach den Geschützen suchte, aus denen man Sie beschossen hat.«
    Ervé. Ivan und Francesca waren ihm schon begegnet. Und sie kannten seine Stellung in der Welt der Literatur. In den Fünfzigern, ein ehemals gut aussehender junger Mann, der sich langsam den Speck der mittleren Jahre zulegte. Zwölf Romane, darunter ein sehr erfolgreicher, Der Leim . Und in seinen ersten Schriftstellerjahren ein Preis für ein weiteres Buch. Ein Lektorenbüro bei einem Verlag, dessen Stern sank, weil er sein Image durch ein allzu gemischtes Programm geschädigt hatte. Eine Kolumne in einem Boulevardblatt. Und jedem Mächtigen, gleich welcher Couleur, stets zu Diensten, in den Verlagen, bei der Presse, beim Fernsehen, in den Jurys und Akademien und sogar bei den Werbefirmen, den Filmemachern, Politikern, Mäzenen, Schlossherren, Berühmtheiten, bei den

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