Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman
verabredet.
Zunächst hatte er sie zu einem einfachen Mahl bei sich zu Hause eingeladen.
Van hatte ablehnen müssen. »Unmöglich. Ihre Frau darf nicht dabei sein, und wir können ihr nicht sagen, warum.«
»Maïté verbringt mehr Zeit am Strand als zu Hause, aber Sie haben recht«, gab Le Gall zu. »Sie entscheidet selbst über ihre Zeiteinteilung, und das oft erst im letzten Augenblick. Treffen wir uns nicht in Plouec’h, sondern woanders. Dann brauche ich ihr keine Märchen über Sie aufzutischen. Ich bin ein sehr schlechter Lügner.«
Sie teilten sich einen in Algensud pochierten Steinbutt.
»Die Geheimhaltung hat auch ihr Gutes«, bemerkte Le Gall. »Bei mir hätte es nur in Brühe gegarten Seelachs mit Salzkartoffeln gegeben.«
Er freute sich wie ein Kind, am Stapellauf der Buchhandlung beteiligt zu sein. Er schwor, er werde niemandem etwas sagen, nicht einmal Maïté, obwohl diese sich nur mit gefreut hätte. Er hatte seine Liste dabei.
»Ziemlich viele Skandinavier«, verkündete er und zog einen graublauen Umschlag aus der Tasche, »Amerikaner, Chilenen, von allem etwas eben, auch Franzosen, Sie werden es ja sehen. Sechshundert, das war schwierig. Die hat man schnell zusammen. Ich musste mich zügeln.«
Als Decknamen schlug er Ballon d’Alsace vor, den Berg in den Vogesen. »Um die Schnüffler auf Abwege zu locken«, sagte er, plötzlich mit einem Akzent, in dem Francesca etwas Deutsches wahrzunehmen glaubte, bis sie das Bretonische heraushörte.
Le Gall hatte aber trotz allem noch etwas auf dem Herzen.
»Wahrscheinlich gar nicht einfach, plötzlich den Buchhändler zu spielen«, sagte er so freundlich wie möglich.
Van entschuldigte sich dafür, dass er ihm seine Vergangenheit nicht genau genug geschildert hatte, und beruhigte ihn: »Ich habe eine gewisse Erfahrung in dieser Branche, sogar mit dem schlimmstmöglichen Geschäftsgebaren im Buchhandel, das wird mir helfen. Ich weiß genau, was ich nicht mehr tun will.«
»Van sagt Ihnen nicht die ganze Wahrheit«, fügte Francesca hinzu. »Er hat schon einmal eine ideale Buchhandlung aufgebaut, vor gar nicht so langer Zeit.«
»Ich möchte nicht allzu plump sein«, sagte Le Gall langsam. »Verzeihen Sie. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Nicht, dass ich ein reicher Mann wäre …«
Er hätte nämlich gern etwas zum Geschäft beigesteuert. Francesca sagte nicht Nein.
»Eines Tages, wer weiß? Für die nächsten acht oder zehn Jahre ist die Finanzierung gesichert. Aber wir lassen uns auf viele Abenteuer ein, vielleicht sind wir später froh, auf Sie zählen zu dürfen.«
Ida Messmer erklärte Van, als er sie anrief, für sie sei es am einfachsten – warum, sagte sie nicht –, ihre Liste in Montsoreau zu übergeben. »Ja, genau, das Schloss von Dumas’ La Dame de Monsoreau . Mal mit, mal ohne ›t‹. Ganz oben gibt es eine kleine Terrasse. Treffen wir uns doch da, Sie werden es ganz leicht finden. Und Sie werden die Reise nicht bereuen.«
Van und Francesca fuhren mit dem Auto, mit Vans Rostlaube. Je mehr sie sich Montsoreau auf der Straße am Ufer der Loire näherten, desto weniger sprachen sie, die Schönheit der Landschaft nahm sie gefangen.
Zwanzig Minuten vor der vereinbarten Zeit waren sie auf der Terrasse. Es war in der Tat ein beeindruckender Ort, wie ein windumtoster Mastkorb über dem Zusammenfluss von Vienne und Loire. Es war eiskalt, am stahlblauen Himmel sah man die Formationen der Zugvögel. Zwischen den braunen Wäldern glitzerte das Wasser.
Zur vereinbarten Zeit sahen Francesca und Van in all dem Licht eine Erscheinung. Van hat sie mir wohl zehn Mal beschrieben, immer noch hingerissen. Man stelle sich das Zarteste vor, was es an blonder Schönheit gibt. Ein schmales weißes und rosa Gesicht, umrahmt von Kinderlöckchen, in denen der Wind spielt. Und darunter der Körper einer Jugendlichen im üblichen Outfit, enge Jeans, Blouson, Stiefel.
Sie hatte ihre Liste – sie hielt sie gerollt in der Hand und zeigte sie vorerst nur –, einen Decknamen, Collet monté , »die Prüde«, und einen Horror – wie sie es nannte. Sie fürchtete, dass man trotz dieses Decknamens und ihres Autorenpseudonyms, unter dem sie allgemein bekannt war, ihren wahren Namen entdecken könnte.
»Es grenzt an ein Wunder«, sagte sie, »aber bisher weiß niemand bis auf einen Menschen, von dem ich Ihnen noch erzählen werde, wer Ida Messmer in Wirklichkeit ist. Ich habe ein Risiko auf mich genommen, als ich einwilligte, mich mit Ihnen zu treffen:
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