Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman
offensichtlichen Auslassungen korrigieren?«
»Die Löcher stopfen, ja.«
»Und nach welchen Kriterien?«
»Dem einzigen, das wissen Sie doch genau, dem einzig möglichen: die innere Überzeugung vom Wert eines Buchs. Es ist ganz einfach. Wenn Sie es für selbstverständlich halten, dass Der gute Roman Gaillys Bebop führt, und er nicht auf der Liste steht, dann setzen Sie ihn eben selbst auf die Liste. Sie orientieren sich dabei an nichts anderem als Ihrem eigenen Urteilsvermögen.«
»Das erinnert mich daran, wie Christian Dior Geschmack definierte.«
»Wie?«
»Geschmack haben heißt, einen eigenen Geschmack haben.«
»So ist es. Aber in unserem Haus gibt es zehn Modeschöpfer, Christian Dior, aber auch Schiaparelli, Grès, Balenciaga, Givenchy, Saint Laurent, Lacroix, Gaultier …«
»… und uns beide. Wie viele Ergänzungen wollen wir uns gestatten?«
»Das ist nicht so wichtig.«
»Gut, wir zählen hinterher nach. Aber um das Prinzip beizubehalten, sollten wir jeder nicht mehr als sechshundert vorschlagen.«
»Wenn Sie meinen.«
»Für den Anfang.«
»Francesca, alles ausverkauft. Eine ganze Reihe dieser Titel ist nicht mehr lieferbar. Ich habe sie gezählt, es sind hundertfünfzig. Was machen wir nun?«
»Versuchen wir sie in einer älteren Ausgabe aufzutreiben. Ich nehme an, das war auch Ihre Idee. Neben neuen Büchern werden wir auch antiquarische Bücher verkaufen. Ist das ein Problem?«
»Nein. Nur dass antiquarische Bücher oft teurer sind als neue.«
»Haben wir die Wahl?«
»Ich glaube nicht. Jedenfalls nicht anfangs. Wenn wir vergessene Bücher wieder in Umlauf bringen, ist nicht auszuschließen, dass die Verleger, die sie bereits begraben haben, über eine Neuauflage nachdenken.«
»Das wäre wunderbar.«
»Ich kenne einen ausgezeichneten Bouquinistenring. Diese Leute werde ich bitten, unauffindbare und verschollene Bücher für uns aufzutreiben.«
»Es reißt mich nachts aus dem Schlaf«, sagte Francesca. »Weiß der Himmel, warum ich so wenig schlafe. Ich schlage die Augen auf und weiß sofort, worum es geht. Ich schalte das Licht ein. Ich habe einen Notizblock auf meinen Nachttisch gelegt. Heute Morgen um drei habe ich Le Muet notiert.«
»Wen?«
» Le Muet von Béatrix Beck. Er ist nicht auf der Liste. Leon Morin, Priester wurde drei Mal genannt. Alle Romane, die Béatrix Beck über ihre Doppelgängerin Barny geschrieben hat, sind auf der Liste, nur Le Muet nicht. Aber Der gute Roman muss den gesamten Barny-Zyklus anbieten. Außerdem Don Juan des Forêts , der später kam. Und auch L’Enfant-chat .«
»Hallo? Francesca? Hören Sie sich das an! Es ist unglaublich. Es ist kein einziges Buch von Jean Rhys dabei. Ich dachte, ich hätte mich geirrt, ich bin die Liste zwei Mal durchgegangen …«
»Van, seit zehn Tagen machen wir Jagd auf schwerwiegende Auslassungen. Wir sind erschöpft. Hören wir auf. Sollte das ein oder andere wichtige Buch in der Anfangszeit der Buchhandlung nicht bei uns vorrätig sein, werden wir uns untertänigst entschuldigen und es bestellen. Dazu wird es unweigerlich kommen. Wichtig ist nicht, dass wir alle guten Romane haben, sondern nur gute Romane. Und was das angeht, dürfen wir uns glücklich schätzen: Unsere Komiteemitglieder haben nichts vorgeschlagen, was uns beiden zu schwachbrüstig erschiene.«
»Was ist los, Van? Sie ziehen so seltsame Gesichter.«
»Nichts Schlimmes. Nur Kreuzschmerzen. Ich habe zu viele Kartons geschleppt.«
»Die Septemberkrankheit der Buchhändler … Ruhen Sie sich einige Tage aus, bitte.«
»Immerhin haben wir das Privileg, diese Flut von Büchern nur einmal bewältigen zu müssen. Wir schaffen den großen Vorrat an, und dann werden wir nur noch nach Bedarf und Bestellungen kleine Mengen nachbeschaffen.«
»Kleine Mengen von großer Qualität.«
»Das versteht sich doch von selbst.«
Francesca ließ sich in einen Sessel fallen.
»Vielleicht hätten wir einen Ausländer ins Komitee bitten sollen … Vielleicht sind wir zu französisch …«
»Weniger als die Hälfte unserer Bücher sind im Original französisch. Ich hatte mit mehr gerechnet. Francesca, die Buchhandlung ist doch gerade erst im Entstehen, sie wird dann wachsen. Wir werden die ganze Zeit Titel hinzufügen. Eröffnen wir erst einmal.«
»Ich weiß, was mich beruhigen würde. Wir haben doch ein Drittel des Erdgeschosses ungenutzt gelassen, und die Kellerräume, wie sie sind. All das muss ebenfalls instand gesetzt und eingerichtet werden. Ich
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