Der Zauber des Engels
meiner Nähe. Es ist mir erst gestern klar geworden, als ich Sie wiedergesehen habe. Sie können Anthony Bond nicht heiraten. Bitte tun Sie das nicht.«
»Philip, es hat sich zu viel verändert. Er liebt mich. Er ist ein guter Mann, und meine Eltern möchten, dass ich ihn heirate.«
»Aber Sie lieben ihn nicht.«
»Es gibt viele verschiedene Arten von Liebe.«
»Können Sie nicht eine Art finden, um … mich zu lieben?«
»Philip …« Jedes Wort, das er nun sagte, war ein Schlag, der die harte Schale zerstörte, die sie seit Maries Tod um sich herum aufgebaut hatte. Und dennoch, das Wichtigste hatte er bisher für sich behalten. Denn er hatte nicht gesagt, dass er sie liebte. »Was wäre ich nach Marie denn für Sie? Was könnte ich sein? Eine Freundin? Nichts als ein bloßer Schatten der Liebe.«
»Nein, nein.« Er sah sie erschrocken an. In diesem Moment musste sich der Nebel draußen kurzfristig gehoben haben, denn das Licht, das durch das Engelfenster fiel, war heller geworden und bildete eine Lache aus goldenem Licht auf dem Steinfußboden.
Jetzt fühlte sie sich auf einmal stark und tapfer. »In der Liebe dulde ich keine Konkurrenz. Ich will die Einzige sein.«
Sie trat in das einfallende goldene Licht, sodass es wie ein Schleier über sie fiel, wie ein Schleier von Gott, und dann spürte sie Raphaels heilende Wärme durch ihren Körper strömen.
Er starrte auf das veränderte Bild vor sich. Laura war in Licht gebadet, verwandelt, und endlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Laura! Mein Liebling!«
Und als sie so dastand, stark und golden und schön, wusste sie, dass sie die Entscheidung in der Hand hatte.
Ich hatte nun die letzte Seite von Lauras Tagebuch erreicht.
Und so gehört er nun mir, Caroline, und ich gehöre ihm. Heute hat Philip mit Papa gesprochen, und das ganze Haus ist in Aufruhr. Mama hat den ganzen Nachmittag Beethoven in die Tasten des Klaviers gehämmert und ist nun erschöpft ins Bett gegangen. Harriet hat mir zwei wütende Briefe geschickt mit lauter unterstrichenen Wörtern, und Mrs. Jorkins schüttelt ständig den Kopf und beißt sich auf die Lippen. Aber am schlimmsten war mein Zusammentreffen mit Anthony heute Abend.
Ich habe ihn sehr verletzt. Er trägt an alledem keine Schuld. Indem wir uns vom Leben nehmen, was wir uns wünschen, zerstören wir ein anderes. Ich glaube, das ist es, was Mama so böse macht – mein Egoismus, mein fester Wille. Vielleicht hat sie recht. Aber vielleicht ist es auch einfacher, anderen Menschen Gutes zu tun, wenn man selbst glücklich ist. Wer weiß, möglicherweise lernt Anthony eine Frau kennen, die ihn so liebt, wie er es verdient hat. Caroline, das wünsche ich mir wirklich von ganzem Herzen. Ich frage mich, ob Du auf meiner Seite stehen würdest, wenn Du noch hier wärst. Aber Du bist nicht hier. Ich glaube, Dein Fenster hat für mich alles verändert. Ich werde immer an Dich denken, Caroline. Und meine Erinnerungen werden immer voller Liebe und Zärtlichkeit sein. Aber jetzt müssen wir den Blick nach vorn richten und Dich in Gottes Händen belassen, so wie ich es auch Philip geraten hatte. Adieu, meine geliebte Schwester.
Danach kamen nur noch leere Seiten.
Laura hat also ihren Philip geheiratet. Und ich verstand nun, weshalb ich das Tagebuch zwischen den Geschäftsunterlagen von Minster Glass gefunden hatte. Philip hatte das Geschäft von Reuben Ashe übernommen, und Laura hatte ihn geheiratet. Das wiederum bedeutete … ja, was bedeutete es? Wie war das Geschäft im Laufe der Jahre in die Hände unserer Familie gelangt? Vielleicht war Philip ja mehrfacher Urgroßvater und Laura eine Großmutter? Nicht, wenn Philip und Maries Sohn John die Firma geerbt hatten. Wie konnte ich das nur herausfinden?
Ich freute mich für Laura, aber der arme Anthony Bond tat mir leid. Er war treu und loyal gewesen, aber das hatte ihm am Ende nichts genutzt. Was wohl aus ihm geworden war? Vielleicht hatte er der netten Prudence Jefferies den Hof gemacht und in ihr eine Frau gefunden, die besser zu ihm passte. Ich hoffte es sehr für ihn.
40. KAPITEL
Ob gut oder schlecht, unsere Taten sind unsere Engel.
Ralph Waldo Emerson
Wie es uns gelungen war, uns am Sonntag während des Konzerts samt Orchester in den Altarraum zu zwängen, war mir rätselhaft. Aber irgendwie hatten Michael und Dominic es organisiert.
Generalproben sind immer grässlich, nicht zuletzt weil sie an einem ungewohnten Ort mit ungewohnter Akustik stattfinden und alle anders
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