Der Zauber des Engels
zurückzukehren.
Ich warf den Brief in den nächsten Briefkasten und wandte mich zum Gehen. Plötzlich wünschte ich, ich hätte etwas liebevoller geschrieben und ihn doch gebeten, sich zu melden und nach Hause zu kommen. Aber nun war es zu spät.
Jetzt öffnete ich die Ladentür, damit Anita und Amber die Tabletts mit den belegten Brötchen hereintragen konnten. Zusammen stellten wir sie auf die Theke, neben den Stapel Teller und die Servietten.
»Ich freue mich so, dass du wieder eröffnest«, sagte Anita und wehrte meinen Dank ab. »Das ist gut für uns alle. Aber ich verstehe gar nicht, wie du mit all diesen Spiegeln leben kannst. Ich würde ständig nur davorstehen.«
Ich lachte.
»Wie alles funkelt und blitzt!«, rief Amber und tanzte ausgelassen durch den Raum.
»Amber …«
»Vorsicht! Glas!«, rief Larry gerade noch rechtzeitig.
»Schaut nur, die ersten Gäste!« Ich sah Jo und Dominic Hand in Hand näher kommen. »Und da kommen auch die Quentins.« Jeremy hielt einen riesigen Blumenstrauß in der Hand.
»Keine Sorge, ich bin geübt«, sagte Larry. Er wollte gerade eine Sektflasche öffnen und hatte mein besorgtes Gesicht gesehen.
Bald war der Laden voller Menschen. Zacs Freunde David und Janie hatten ihre Kinder mitgebracht, die im Hof spielten. Ra aus dem Heim war gekommen. Dort war inzwischen wieder Ruhe eingekehrt. Cassie und Lisa waren wegen Hausfriedensbruchs verurteilt worden und gegen eine Auflage von einer Haftstrafe verschont geblieben. Beide waren inzwischen in anderen Einrichtungen untergebracht, wo Sarah sie ein- oder zweimal besucht hatte. Sie berichtete, dass Cassie ihre Tat sehr bereue. Die Chancen standen also gut, dass sie irgendwann als das gesehen würde, was sie war: ein dummer Streich, der unglücklich verlaufen war. Mit Lisa war es etwas schwieriger; sie reagierte aggressiv auf alle Angebote, ihr zu helfen. »Aber auch sie hat es nicht verdient, ins Gefängnis zu kommen«, sagte Sarah seufzend, und ich stimmte ihr zu.
»Amber ist so glücklich«, flüsterte Ra mir zu und nippte an ihrem Glas Sekt. »Das Mädchen hat sich unglaublich verändert.«
Ich lächelte. »Ja, es ist wirklich erstaunlich.«
»Sie hat großes Glück gehabt, auf jemanden wie Sie zu treffen. Jemanden, der ihr eine Chance gegeben hat.«
»Fran, wie geht es Ihnen? Das ist ja großartig geworden!« Mrs. Armitage segelte in einer Duftwolke herein, ihr Mann folgte ihr dicht auf den Fersen. »Ich habe die Kinderbilder allen meinen Freunden gezeigt. Wundern Sie sich nicht, wenn Sie demnächst mit Aufträgen überschüttet werden.«
»Danke«, antwortete ich. »Amber wird sich freuen, das zu hören.«
Michael und Nina kamen etwas später. »Entschuldige, dass wir uns verspätet haben, aber Nina hatte noch eine Probe.« Michael schüttelte mir die Hand. »Sie arbeitet jetzt mit einem neuen Pianisten zusammen«, flüsterte er mir zu, während Nina ihm etwas zu trinken besorgte. »Hast du das mit Ben schon gehört?«
»Was denn?« Ich sah mich nach Ben um. Nach langem Hin und Her hatte ich mich entschlossen, ihn auch einzuladen. Aber er war nirgends zu sehen.
Ehe Michael antworten konnte, wurden wir unterbrochen. »Eine ausgezeichnete Party, Miss Morrison. Der Sekt ist ganz hervorragend.« Es war der Buchhändler, der seine wirren Haare extra für diesen Anlass glatt gekämmt hatte. Er stellte sich Michael vor, und die beiden waren schon bald in ein Gespräch über James Joyce vertieft. Ich nutzte die Gelegenheit, um zu Jeremy rüberzugehen, der sich eine Lampe im Schaufenster genauer anschaute. »Sie gefällt Sarah so«, sagte er. »Glaubst du, das wäre etwas für ihren nächsten Geburtstag?«
»Sie würde perfekt in euer Wohnzimmer passen«, bestätigte ich. »Aber ich würde sie euch gern schenken. Als kleinen Dank für alles.«
»Das ist doch nicht nötig«, antwortete er rasch und wirkte plötzlich ganz verlegen.
»Wenn sie Sarah wirklich gefällt, dann bestehe ich darauf.« Ich lächelte, denn sie kam in diesem Moment auf uns zu. Jeremy erklärte ihr alles, und sie freute sich wie ein kleines Kind.
»Vielen, vielen Dank. Das ist furchtbar nett von dir! Aber wir haben dich sehr gerne bei uns gehabt.«
»Und ich war gerne bei euch. Jetzt, wo Dad tot ist, seid ihr für mich wie eine neue Familie.«
»Ich weiß.« Sarah umarmte mich. »Genauso empfinden wir es auch, stimmt’s, Jeremy? Ich bin so froh, dass der Laden wieder so schön geworden ist, und die Wohnung wird sicher auch ein Traum. Die
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