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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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Schablone für das Fenster. Deutlich konnte man die Größe jedes einzelnen Glaselements erkennen, das zugeschnitten werden musste, ebenso die Details der Gesichtszüge und der Kleidung und die Stellen für die Querstreben, die das Ganze stabilisieren sollten. Ich blickte abwechselnd auf die farbige Skizze und die große Zeichnung und fragte mich, ob sie vielleicht von derselben Hand stammten, was sehr ungewöhnlich wäre. Meist wurde ein Künstler nur damit beauftragt, die Skizze zu zeichnen und die Farben anzulegen; dieses Vidimus wurde dann dem Handwerker übergeben, der es vergrößerte und das eigentliche Fenster schuf. Der entwerfende Künstler bekam also normalerweise nicht mit, was aus seinen Entwürfen wurde, bis das Fenster fertig war – es sei denn, er hegte ein ausgeprägteres Interesse an seiner Arbeit.
    Ich betrachtete die Gesichter auf der Zeichnung, die akribisch gezeichneten Linien, das sorgfältig arrangierte Spiel mit Licht und Schatten. Der Jubelglanz in den Augen der Jungfrau spiegelte sich in denen des Kindes, und ich staunte, wie gut es dem Künstler gelungen war, überwältigende Gefühle auszudrücken. Vorsichtig faltete ich beide Zeichnungen wieder zusammen und legte sie zurück in die entsprechenden Ordner. Dann setzte ich meine Suche nach dem Engel fort. Dort, wo ich die Skizze gefunden hatte, befanden sich noch mehrere Briefe, Rechnungen und Materiallisten, die zwar alle einen Bezug zum Fenster hatten – aber von einem Engel war nirgends die Rede. Es war frustrierend. Trotzdem würde es den künstlerischen Prozess erhellen, den der Künstler zur Schaffung des Engels hinter sich gebracht hatte und dem wir bei unserer Arbeit ebenfalls folgen mussten.
    Ich nahm Laura Brownlows Tagebuch mit nach unten ins Wohnzimmer. Dort suchte ich nach einem Vergrößerungsglas und machte es mir bequem, um weiterzulesen. Laura schrieb so anschaulich, dass man kaum glauben konnte, dass sich dies alles vor über hundert Jahren abgespielt hatte. Fast konnte ich mir einbilden, ich wäre dabei gewesen …
    Sonntag, 15. Februar 1880
    Wärst Du doch bloß hier, Caroline! Wir hätten uns so viele Geheimnisse anvertrauen können. Stell Dir vor, Caro, ich habe meinen ersten Heiratsantrag bekommen! Aber ich habe ihm Nein gesagt, weil ich ihn weder lieben noch sonst ihm Zuneigung entgegenbringen kann. Es ist Mr. Anthony Bond – Papas Kirchenvorsteher, wenn Du Dich erinnerst –, ein sehr distinguierter und vornehmer Herr mit – wie Mama mir versichert – entfernten Verbindungen zu den Herzögen von Norfolk! (Allerdings so entfernt, dass man sie nur mit einem Opernglas erkennen kann!)
    Aber ich sollte Dir lieber der Reihe nach erklären, wie sich alles zugetragen hat. Es war eine Riesenüberraschung, denn Mr. Bond hatte mir gegenüber nichts von seinen Absichten verlauten lassen. Am Freitag hat er mit uns zu Mittag gegessen, und noch am selben Abend sagte Dad mir, dass der Mann die Absicht habe, am Sonntag zum Tee zu uns zu kommen, dass er vor allem meinetwegen käme und dass ich ganz ernsthaft über seinen Antrag nachdenken solle.
    Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass seine häufigen Vorwände, uns zu besuchen, etwas mit mir zu tun haben könnten. Seine Miene drückt nie irgendetwas außer Verlegenheit aus. Glaub mir, ich war fest davon überzeugt, dass er bloß über ein Buch mit mir sprechen wolle, welches ich ihm geliehen hatte.
    Als er da war, entschuldigte Mama sich, und wir blieben allein im Morgenzimmer zurück. Er machte einen recht nervösen Eindruck und verschüttete seinen Tee. Als ich ihm die Tasse abnehmen wollte, hielt er meine ausgestreckte Hand fest und murmelte: »Oh, Miss Brownlow. Laura«, und zwar mit derart zittriger Stimme, dass ich meine Hand zurückzog und wir einander erschrocken angestarrt haben. Daraufhin hat er sich umständlich geräuspert und geflüstert: »Hat Ihr Vater Ihnen denn nichts von meinen Absichten angedeutet?« In dem Moment wurde mir klar, was er meinte.
    Sein Gesicht begann zu glühen. »Ich hatte gehofft …«, begann er stotternd.
    »Nein, Mr. Bond, ich flehe Sie an, sagen Sie nichts mehr! Es kann nicht sein!«, schrie ich in Panik. Ich war wütend auf Papa und Mama, weil sie mich nicht gewarnt hatten, und so wurde es noch schlimmer für Mr. Bond, als es ohnehin schon gewesen wäre.
    Ich dachte, ich würde mich über meinen ersten Antrag freuen – weißt Du noch, als wir darüber gesprochen haben, wie es sein würde? Stattdessen bin ich nun furchtbar

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