Der Zauber des Engels
nachher an.«
Als ich wenig später einer jungen Kunststudentin preiswerte Glasreste heraussuchte, die sie für eine Skulptur brauchte, und die Reste sorgfältig in Zeitungspapier einwickelte, bemerkte ich, dass Amber wieder vor dem Laden herumlungerte.
Ich hielt der Studentin, die beide Hände voll hatte, die Tür auf. Als sie weg war, winkte ich Amber herein.
»Haben Sie gerade viel zu tun?«, fragte sie ängstlich, schlüpfte in den Laden und sah sich ausführlich um. Nach einer Weile nahm ich sie mit in die Werkstatt und stellte sie Zac vor, der damit beschäftigt war, Spiegelglas in kurze Streifen zu schneiden.
»Amber ist eine Bekannte meiner Freundin Jo«, stellte ich vor.
Zac schien überrascht. Dann lächelte er.
»Was machen Sie da?«, fragte Amber neugierig.
»Ein Kaleidoskop«, antwortete er und nahm ein fertiges Exemplar aus dem Regal. »Schauen Sie mal rein«, sagte er und hielt ihr ein Ende des rhombenförmigen Instruments hin.
Sie hielt es gegen das Licht. »Wie schön!«, murmelte sie ergriffen.
»Drehen Sie mal die Murmel.« Am anderen Ende des Kaleidoskops befand sich eine große, von einer Metallfolie umschlossene Glasmurmel. Ich wusste, dass die Farben in den Spiegeln innen reflektierten und wunderschöne Muster bildeten, wenn man die Murmel drehte.
»Wie macht man so was?«, fragte Amber. In diesem Augenblick ging schon wieder die Ladenglocke.
Als ich die Kunden bedient hatte und zurückkam, waren Zac und Amber ins Gespräch vertieft. Zac zeigte ihr gerade, wie man einen Glasschneider hielt, und Amber versuchte, ein Stück Treibhaus-Glas zu bearbeiten, das Zac ihr gegeben hatte.
»Sie dürfen keine Angst vor dem Glas haben«, meinte er, »es beißt nämlich nicht. Jedenfalls nicht, wenn Sie es mit Respekt behandeln. Halten Sie es einfach so zwischen Daumen und Zeigefinger und … ja, und jetzt abbrechen, gut gemacht!«
»Das Glas fühlt sich an, als wäre es aus Zucker.«
»Ja, es lässt sich ganz exakt bearbeiten. Aber nicht jedes Glas ist so leicht zu schneiden. Manchmal bricht es genau an der falschen Stelle, und dann muss man wieder von vorn anfangen.«
»Wie machen Sie das farbige Glas? Wird es hier produziert?«
»Oh nein«, antwortete Zac. »Heutzutage wird fast alles aus dem Ausland importiert. Es gibt die unglaublichsten Farben, Muster und Oberflächen.«
»Dieses pink- und goldfarbene gefällt mir.« Sie zeigte auf das Stück, aus dem Zac die Hülle des Kaleidoskops gemacht hatte.
»Das ist ein sehr kostbares Glas. Die warmen Farben wie Rot sind immer besonders kostspielig, weil man für ihre Herstellung teure Chemikalien benötigt. Im Rot zum Beispiel ist manchmal sogar echtes Gold enthalten. Die Blau- und Grüntöne sind einfacher und preiswerter.«
In diesem Augenblick merkte Zac, dass ich hereingekommen war. »Was ist los?«, fragte er.
Ich stand mit verschränkten Armen in der Tür und versuchte zu verhindern, von einem Ohr zum anderen zu grinsen.
»Nichts«, antwortete ich. »Lasst euch nicht stören. Ich habe dich noch nie so viel auf einmal reden hören.«
Zac lächelte nur selten; aber diesmal strahlte er beinahe über das ganze Gesicht. Er drehte sich wieder zu Amber. »Wenn ich mit dem letzten Stück fertig bin, zeige ich Ihnen, wie man schleift. Und danach vielleicht noch, was man mit Kupferfolie macht.«
Ich war froh, dass Zac trotz seines engen Zeitplans die Gelegenheit nutzte, sich ein bisschen um Amber zu kümmern, und ließ die beiden allein.
»Zac«, begann ich später, als Amber wieder fort war. Zum Abschied hatten wir ihr noch einen Sonnenfänger geschenkt. »Was würdest du sagen, wenn ich Amber fragen würde, ob sie uns ab und zu aushelfen möchte?«
Er sah mich misstrauisch an. »Du meinst, wenn sie hier arbeiten würde? Was sollte sie denn tun?«
»Auf den Laden aufpassen, wenn wir unterwegs sind, Material auspacken, ans Telefon gehen, all diese
Dinge. Dann könnten wir uns mehr um anderes kümmern. Außerdem könnten wir ihr ein paar
einfache Handgriffe zeigen, vielleicht auch Muster entwerfen und so weiter.«
»Sie ein bisschen anlernen, meinst du? Stimmt, es ist wichtig, neue Leute anzulernen. Wir sollten mal
darüber nachdenken.«
»Ja. Denn ich fürchte, du hast recht. Dad wird nicht mehr …«
»Ich weiß.« Sein Blick war voller Mitgefühl, und ich musste wegschauen. Es war höchst
unwahrscheinlich, dass Dad jemals wieder in der Werkstatt arbeiten würde; aber das Eingeständnis kam
mir trotzdem vor wie ein
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