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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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bereit erklären, Salomon zu spielen.
    Es geht um meinen Entwurf für das Fenster Maria mit dem Kind . Ich habe ihn an Mr. Jefferies, den Neffen der Stifterin, geschickt, und zu meinem Verdruss habe ich heute erfahren, dass er keinen Gefallen daran findet. Wenn es sich um eine Maria mit Kind in der Glorie handelt, schreibt er mir in seinem Brief, möchte er auch mehr Glorie sehen. Harfen, Putten, rosafarbene Wolken und all dieser sentimentale Tand waren offenbar nach dem Geschmack seiner verstorbenen Tante, aber so etwas kann ich nicht machen. Ihr Vater hat meinen Entwurf letzte Woche gesehen und für gut befunden, daher stecke ich jetzt in einem ziemlichen Dilemma. Wie soll ich fortfahren?
    Überrascht las Laura den Brief ein zweites Mal. Mr. Russell bat sie um ihren Rat! Sie hatte den fraglichen Entwurf gesehen, eine Farbskizze, die der Pfarrer Laura und ihrer Mutter gezeigt hatte. Sie hatten seine Schlichtheit und seine Natürlichkeit bewundert. Laura war sich ihres Urteils sicher. Also setzte sie sich an ihren Sekretär und nahm den Füllhalter zur Hand.
    Sir, schrieb sie, Ihre Maria ist bereits in tiefen Blau- und Goldtönen dargestellt, wie es ihr königlicher Status verlangt. Vielleicht genügt Mr. Jefferies eine schlichte Krone, um ihre Stellung als Himmelskönigin noch zusätzlich zu verdeutlichen. Das würde Ihr künstlerisches Selbstverständnis doch nicht berühren? Zwei Putten, wie Sie sie unten auf diesen Brief gezeichnet haben, könnten die Krone über ihrem Kopf halten.
    Aber so leicht ließ Russell sich nicht beruhigen. Bei meinem Leben, Putten und Kronen zeugen von den schlimmsten Exzessen des Barocks, lautete seine prompte Antwort noch am selben Nachmittag. Vielleicht sollten wir uns treffen, um zu überlegen, wie wir das Problem beheben können. Wenn das Wetter es zulässt, könnten wir einen Spaziergang durch den Park machen. Würde Ihnen morgen um zwei Uhr passen?
    Etwas beklommen schrieb Laura zurück und schlug einen Zeitpunkt am nächsten Tag vor, von dem sie wusste, dass weder ihr Vater noch ihre Mutter zu Hause sein würden. Den Grund konnte Laura sich selbst nicht erklären, aber sie wollte Philip Russell unbedingt alleine sehen.
    Am nächsten Tag erschien er pünktlich, und sie führte ihn ins Arbeitszimmer ihres Vaters. Überraschenderweise hatte sich seine Irritation über das Fenster aufgelöst wie die letzten Morgennebel. Er hatte sogar eine Zeichnung dabei, in die er Lauras Vorschläge eingearbeitet hatte, wenn auch etwas anders, als sie es sich vorgestellt hatte. Die Engel erinnerten eher an androgyne Halbwüchsige als an kleine Kinder. »Lassen Sie es hier, damit mein Vater es sich ansehen kann«, schlug sie vor, und Russell willigte sofort ein.
    »Was halten Sie davon, wenn wir jetzt einen kleinen Spaziergang machen?«, fragte er. »Es ist etwas windig, aber ansonsten ganz angenehm.« Sie holte ihre Haube und einen Paisleyschal, dann gingen sie los.
    Während sie durch den St. James’s Park schlenderten, den Kindern beim Fangenspielen und einer kichernden Gruppe junger Frauen beim Ballwerfen zusahen, dachte Laura, dass sie noch nie in ihrem Leben so glücklich gewesen war.
    Sie und Russell unterhielten sich angeregt, sprachen über Bilder und Bücher, die ihnen gefielen. Zögernd berichtete sie ihm von ihren eigenen Schreibversuchen. »Ich weiß nicht, ob das, was ich schreibe, einen Wert hat«, gestand sie. »Einmal habe ich eine meiner Geschichten an ein Journal geschickt, aber sie wurde mir mit dem Vermerk, sie hätten in den nächsten Ausgaben keinen Platz dafür, wieder zurückgesandt.«
    »Ich würde Ihre Geschichten gern lesen, wenn Sie gestatten«, antwortete er. »Gelegentlich lese ich etwas für einen befreundeten Verleger; ich weiß also, worauf man achten muss.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen.« Sie lächelte dankbar. »Aber nur, wenn es Ihnen auch wirklich keine Umstände bereitet.« Er war ihr so sympathisch, dass sie ganz sicher war, er würde ihre Werke mit dem nötigen Respekt behandeln. Ihre Lebensweisen waren zwar völlig unterschiedlich – er bewegte sich unter Künstlern und Schriftstellern, traf wohlhabende Mäzene wie die Familie seiner Frau Marie –, aber dennoch hatten sie so viel gemeinsam. Zum Beispiel die Erfahrung, Pfarrerskinder zu sein.
    »Wir sind viel mehr herumgezogen als Sie«, sagte er. »Mein Vater war ein reisender Pfarrer und nur selten zu Hause. Alle zwei oder drei Jahre wurde er in eine andere Gegend versetzt, und dann war meine

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