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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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heute Morgen erzählt, er hätte Blut auf dem Gehweg gesehen. Bestimmt hatte es mit diesem Heim zu tun.«
    »Aber das ist doch ein Heim für Frauen.«
    »Um die Ecke gibt es doch auch eins für Männer, oder nicht?«
    »Es können genauso gut betrunkene Leute aus der Stadt gewesen sein, Anita. Obwohl es eigentlich nicht üblich ist, sich am Montagabend volllaufen zu lassen.«
    »Hm. Ich weiß nur eins, nämlich dass ordentliche Leute noch nicht mal mehr in ihren Betten in Sicherheit sind. Aber jetzt erzähl mir doch endlich, wie geht’s eigentlich deinem Vater?«
    Normalerweise plauderte ich gern mit der geschwätzigen Anita, aber ihre vorurteilsbeladenen Bemerkungen gerade eben gefielen mir gar nicht. Es war natürlich einfach, die Schuld auf die Frauen aus dem Heim zu schieben, besonders deshalb, weil Anita selbst nichts mitbekommen hatte. Ich auch nicht, aber der ganze Lärm war sicher ein Grund für meinen unruhigen Traum gewesen, genau wie der dröhnende Kompressor der Arbeiter auf der Straße.
    Als kurze Zeit später ein großer Lastwagen vor Minster Glass hielt, klingelte das Telefon. Es war Jo.
    »Jo! Ich habe leider nicht viel Zeit, wir bekommen gerade eine Lieferung. Ich habe dich gestern Abend bei der Chorprobe vermisst.«
    »Deshalb rufe ich ja an«, antwortete sie. »Mir ist was dazwischengekommen. Wie war’s denn?«
    »Ziemlich anstrengend, aber sonst ganz okay.«
    »Sollen wir uns in den nächsten Tagen mal treffen? Hast du noch einen Abend frei?«
    »Was haben wir denn heute? Dienstag. Wie wär’s morgen?«
    »Mal sehen, ich weiß noch nicht genau. Ich rufe dich an.«
    »Klar«, antwortete ich. Ihre Hinhaltestrategie irritierte mich ein bisschen. »Eh, Jo …?« Ich wollte sie fragen, ob der Lärm heute Nacht etwas mit ihrem Heim zu tun gehabt hatte. Aber sie hatte schon aufgelegt.
    Erst abends, nachdem ich Dad besucht hatte, hatte ich Gelegenheit, das zu tun, was ich den ganzen Tag im Sinn gehabt hatte. Ich stieg hinauf auf den Dachboden und räumte die Unterlagen fort, um Platz für das zu schaffen, was ich als Nächstes vorhatte.
    Dad war wach gewesen, als ich bei ihm war, und ich hatte ihm von meinem Traum erzählt. Ich war mir sicher, dass er mich verstanden hatte. Sein Mund war leicht geöffnet gewesen, und er hatte einen Laut von sich gegeben, der sich angehört hatte wie ein »Oh«. Hatte er versucht, mir etwas zu sagen? Wir hatten uns angeschaut, und ich hatte geflüstert: »Glaubst du, ich bin auf der richtigen Spur, Dad?« Aber er war stumm geblieben.
    Ich öffnete eine Schublade mit der Aufschrift »1940« und ging die Ordner durch, bis ich zum September kam. Den geöffneten Ordner legte ich auf den Schreibtisch. Ich hatte eine ganz einfache Idee: Wenn irgendjemand von St. Martin’s nach dem Bombenangriff Kontakt zu Minster Glass aufgenommen hatte, hatte man vielleicht die alten Unterlagen herausgesucht und einen neuen Ordner angelegt.
    Schon bald stieß ich auf einen dicken braunen Umschlag mit der Aufschrift »Betr.: Zerstörte Scheibe, St. Martin’s«. Ich zog die Papiere heraus und blätterte sie aufgeregt durch. Der vergilbte Brief ganz oben trug das Datum Juni 1880. Er enthielt Listen mit Zahlen, die sich auf irgendwelches Material bezogen. Als ich schließlich ein großes, dickes Stück Zeichenpapier auseinanderfaltete und die Skizze betrachtete, wusste ich, dass ich endlich gefunden hatte, wonach ich suchte.
    Lauras Engel .
    Später saß ich im Wohnzimmer am Fenster. Es hatte geregnet, und der Platz draußen glänzte vor Nässe. Irgendwo da hinten, wo die Lichter brannten, war Lauras Zuhause gewesen. Ich verschmolz ganz und gar mit der Vergangenheit, als ich das Tagebuch zur Hand nahm und erneut zu lesen begann.

21. KAPITEL
    Wenn du nicht lieben kannst, wie die Engel es tun, mit dem Atem des Himmels zwischen euch …
    Dann nenne es niemals Lieben!
    Elizabeth Barrett Browning, A Woman’s Shortcomings
    LAURAS GESCHICHTE
    Juni 1880
    »Oh, wie süß er ist!« Baby Arthur lächelte seine Tante Laura an, die ihn in seiner weißen Spitzendecke in den Armen hielt, erst noch ein bisschen unsicher, aber dann immer breiter.
    »Er erkennt mich, ich bin mir ganz sicher!«
    »Natürlich tut er das, Dummerchen, er hat dich ja schon oft gesehen. Arthur, sag ›Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, liebe Tante‹.« Harriet, die es sich im Sessel bequem gemacht hatte, gab Arthurs neuem Kindermädchen, der kleinen Ida Cooper, ein Zeichen, sich auf den Hocker am Fenster zu

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