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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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setzen.
    Fasziniert betrachtete Laura ihren sechs Wochen alten Neffen. Seine Augen, die bei der Geburt dunkelblau gewesen waren, verwandelten sich allmählich in ein durchscheinendes Meeresblau. Seine makellose rosige Haut fühlte sich noch weicher an als Mr. Russells Geschenk zu ihrem dreiundzwanzigsten Geburtstag, eine in Seide gebundene Schreibmappe. Die dazugehörige Karte hatte er mit einem in Tinte gezeichneten Muster aus Vögeln und Pflanzen umrahmt.
    Ich hoffe, dass es Sie dazu ermuntert, mir häufiger zu schreiben, meine liebe Laura. Ihre Freundschaft ist mir sehr wertvoll, hatte er notiert. In der Abgeschiedenheit ihres Zimmers hatte sie sorgfältig einige Dankesworte formuliert, das Geschenk in der Schublade versteckt und den Brief anschließend höchstpersönlich zur Post gebracht.
    »Jetzt gib ihn mal seiner Großmutter, Laura«, sagte Harriet, und Ida eilte herbei, um den in weiße Spitze gebetteten Arthur in Theodoras ausgestreckte Arme zu legen.
    Ergriffen sah Laura, wie die erschöpften Augen ihrer Mutter vor Freude erstrahlten, während sie den Kleinen sanft wiegte und beruhigend auf ihn einredete. Mit einer regelmäßigen Dosis Arthur würde sich der Zustand ihrer Mutter vielleicht wieder bessern.
    »Bitte, öffne dein Geschenk, Laura«, rief Harriet als Nächstes. Wie kam es, dass sie plötzlich so viel älter wirkte als Laura? Die Ehe und das Muttersein verliehen ihr eine ganz neue Ausstrahlung, und Laura kam sich neben ihr klein und unbedeutend vor.
    Selbst ihre Geschenke waren nun extravagant, jedenfalls verglichen mit den bescheidenen Federhaltertüchlein und den Nadelkissen, die Harriet früher zu nähen pflegte. Laura hob die große Schachtel hoch, die Harriet neben sie gestellt hatte, löste die Schleife und öffnete den Deckel. Sie zog das Seidenpapier weg und nahm ein wunderschönes goldenes Teekleid heraus.
    »Oh Harriet!«, rief Laura. »Das ist ja wunderschön!«
    »Geh, und zieh es sofort an!«, verlangte ihre Schwester. »Wir wollen sehen, wie es dir steht. Mama hat mir dein altes Arbeitskleid gegeben, damit ich deine Maße habe.«
    Das Kleid saß perfekt. Laura stand vor dem Spiegel im Ankleidezimmer ihres Vaters, schloss die Knöpfe, bewunderte die Rüschen an den Seiten und die plissierten Stoffbahnen, die schmeichelnd von den Hüften herabfielen und, ganz gewagt, ein gutes Stück über dem Boden endeten. Der warme Goldton passte hervorragend zu ihrer Gesichtsfarbe, wie sie erfreut feststellte, und reflektierte das Kastanienbraun ihrer Haare. Solch ein Kleid hatte sie noch nie besessen.
    »Also wirklich«, sagte ihre Mutter, als Laura einige Minuten später schüchtern ins Zimmer zurückkam.
    »Laura! Du meine Güte, Kind!«, kommentierte ihr Vater.
    In der Zwischenzeit waren zwei Gentlemen ins Zimmer gekommen. Einer kniete gerade nieder, um Arthur zu bewundern, der andere saß steif mit dem Rücken zu ihr da. Beide drehten sich um, als Laura eintrat. Entsetzt starrte sie von Mr. Russell, der sich gerade wieder aufrichtete, zu Mr. Bond und wäre am liebsten davongelaufen. Mr. Bonds Blick wanderte sekundenlang über ihren Körper, er sperrte erstaunt den Mund auf; Mr. Russell betrachtete sie lächelnd. Lauras Gesicht brannte, und einen Moment lang konnte sie sich nicht regen. Noch nie zuvor hatte sie so im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestanden.
    »Darling, du siehst einfach wunderbar aus.« Harriet erhob sich und nahm ihre Hand. »Komm, setz dich hierher, Mama. Ida, bitte nimm du Arthur jetzt. Mr. Russell möchte uns gern seine Entwürfe zeigen.«
    Mr. Russell räusperte sich und kramte in einer Ledermappe. Laura saß aufrecht auf dem Sofa, ihre Gedanken rasten. Warum war dieser Bond hier? Noch dazu an ihrem Geburtstag. Wie konnte ihr Vater nur so unsensibel sein?
    »Diese hier ist so fein, sieh nur, Harriet.« Theodora hielt ihrer Tochter die Zeichnung hin.
    »Oh!«, rief Harriet.
    Laura vergaß alle Verlegenheit und beugte sich vor, um ihrer Mama über die Schulter sehen zu können.
    Es war der Entwurf für das Fenster über dem Altar; eine detailliertere Zeichnung in Aquarelltechnik. Maria hielt das Kind zärtlich auf dem Schoß. Mutter und Sohn schauten sich in gegenseitiger Bewunderung in die Augen. Über Marias Kopf schwebten zwei Engel und hielten ihre Krone.
    »Das Morgenlicht wird so durch das Fenster scheinen«, erklärte Mr. Russell, »dass ihr Mantel blassgold wirkt, etwas weniger gelb als auf der Zeichnung. Das Maßwerk schimmert antikgold und weiß, und ihr Gewand

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