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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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schließlich und sah mich an. Er machte ein unglückliches Gesicht. »Für mich ist es das auch.«
    »Bist du mit Nina zusammen?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ja. Besser gesagt, wir waren zusammen. Bevor sie Ben kennengelernt hat. Es war ein Fehler gewesen, sie ihm vorzustellen.«
    »Dann ist sie also … mit Ben zusammen?« Zu meinem Erstaunen verspürte ich maßlose Enttäuschung.
    »Ich glaube nicht, dass Ben das so sieht«, antwortete Michael. »Sie ist ziemlich verknallt in ihn, wenn du mich fragst, aber das gibt sie nicht zu. Ich … ich sollte mich vielleicht zurückhalten, aber … na ja, ich mag sie halt sehr.« Michael sah plötzlich so verletzt aus, dass er mir zum ersten Mal richtig sympathisch war.
    Wir standen schweigend da, und ich versuchte, meine Gefühle zu ordnen. Ben war nicht mit Nina zusammen. Aber Nina wollte es gern. Und der arme Michael litt schrecklich. Es war wie eine Komödie von Shakespeare, nur leider nicht so witzig. Und ich stand daneben, fühlte mich, als würde ich von draußen durch ein Fenster hineinblicken. Aber wie lange noch?
    Ich ging zu Dominic rüber und unterhielt mich mit ihm, bis er fortmusste, dann verabschiedete ich mich ebenfalls. Als ich Ben zuwinkte, der sich nun angeregt mit Michael unterhielt, folgte er mir zur Tür.
    »Ich hatte heute Abend gar keine Gelegenheit, mit dir zu reden«, sagte er. »Hat du vielleicht Lust, Donnerstag oder Freitag nach der Probe des Kirchenchors zum Essen vorbeizukommen? Ich würde mich freuen.«
    »Donnerstag wäre nicht so stressig für dich, oder?«, fragte ich zurück, und wir einigten uns auf Donnerstag.
    Ich freute mich sehr. Meine Stimmung war sogar so gut, dass ich über die Pfiffe einiger Arbeiter, die auf dem Platz um einen dröhnenden Generator herumstanden, lächeln konnte.
    Wenig später betrat ich den Laden, schaltete die Lichter ein und ging durch in die Werkstatt, um nach unserem Engel zu sehen. Zac hatte den Tisch in die Ecke geschoben, und ich sah, dass er einige der größeren Teile poliert hatte. Gold- und Grüntöne funkelten im Licht. Aus dem Karton daneben ragte ein Stück Zeitung heraus. Ich zog vorsichtig daran und betrachtete kurz darauf das verblasste Foto eines zerbombten Hauses.
    Wer wohl im September 1940 in den Räumen von Minster Glass gewohnt hatte? Mein Vater war damals zehn Jahre alt gewesen. Mein Großvater musste derjenige gewesen sein, der mit der Kirchengemeinde in Kontakt gestanden hatte, aber ansonsten wusste ich nichts über ihn. Wo sich die Familie wohl zur Zeit des Bombenangriffs aufgehalten hatte? Wir hatten keinen Bunker in der Nachbarschaft, und die nächste U-Bahn-Station lag ein Stück weit entfernt. Vielleicht war man zu einem der nahen Schutzräume gegangen oder hatte sich bis zur Entwarnung unter den Tisch in der Werkstatt geduckt.
    In dieser Nacht schlief ich sehr unruhig. Vermutlich drang der ferne Lärm des Generators in meinen Schlaf, denn ich träumte von Flugzeugen, heulenden Sirenen, Explosionen und zersplitterndem Glas. Dann schrie eine Frau. Schweißgebadet schrak ich mitten in der Nacht auf, rief im Aufwachen nach meiner Mutter und war überzeugt, dass ich irgendein grässliches Unheil geträumt hatte.
    Draußen war der Generator verstummt und nur noch das ferne Rauschen des nächtlichen Straßenverkehrs zu hören.
    Ich lag in der Dunkelheit und versuchte, meinen Traum zu rekonstruieren. Bruchstücke kamen zurück. Es war um Bomben und das zersplitternde Engelfenster gegangen.
    Ich stellte mir vor, wie jemand, vielleicht der Pfarrer, sich am nächsten Tag einen Weg durch das Chaos gebahnt und vorsichtig die Scherben und das verbogene Blei aufgesammelt hatte. War das Fenster zugenagelt worden, so wie es war? Oder hatte man zuerst das restliche Glas ausgeschlagen? Hatte man sich die Mühe gemacht, fachkundigen Rat einzuholen?
    Mal angenommen, das hatte man getan … Plötzlich glaubte ich genau zu wissen, wo ich als Nächstes suchen musste.
    Mein seltsamer Traum verfolgte mich noch durch den ganzen nächsten Tag, aber ich hatte so viel zu tun, dass ich keine Gelegenheit hatte, meinen Entdeckungen nachzugehen.
    Als ich später nebenan ins Café ging, bekam ich zumindest teilweise eine Erklärung für meine unruhige Nacht. Anita erzählte mir, was sie von dem Mieter eine Treppe höher erfahren hatte. »Er hat heute Nacht einen Streit auf dem Platz beobachtet. Mit Polizeiautos und allem Drum und Dran. Und dieser Herr aus dem Buchgeschäft, wie heißt er doch gleich, hat mir

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