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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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Entscheidung über die Baumaßnahmen in St. Martin’s mittragen. Es ist sein Recht, die Entwürfe zu sehen. Und was die persönlichen Qualen betrifft, er hätte ja mit einer Entschuldigung fernbleiben können.«
    »Aber ihn zu meinem Geburtstag einzuladen! Zu einem Familienfest!«
    Ihr Vater ließ sich schwer auf seinen Stuhl fallen. »Vielleicht war es unsensibel von mir«, räumte er ein. »Bitte verzeih, ich habe im Moment einfach zu viel im Kopf. Aber da wir gerade über ein heikles Thema reden, ich würde gern noch ein anderes ansprechen. Mr. Bond war kürzlich wegen eines Anliegens bei mir.«
    »Wegen eines Anliegens?«
    »Deinetwegen, meine Liebe.«
    »Meinetwegen? Welches Recht hat er, mit dir über mich zu sprechen?«
    »Er hat nur die besten Absichten, was unsere Familie betrifft. Und er hat dich noch immer sehr gern, Laura. Was er zu sagen hatte, hat mich und deine Mutter sehr besorgt gemacht.«
    »Was hat er …? Was meinst du damit?«
    »Dass du dich so offen in Mr. Russells Gesellschaft sehen lässt. Nein!« Er hob die Hand, um ihre Einwände abzuwehren: »Ich weiß, dass du in dieser Angelegenheit noch sehr unschuldig bist, meine Liebe. Dennoch musst du bedenken, dass deine Stellung als junge Dame mit, nun ja, Hoffnungen und Erwartungen verknüpft ist.«
    »Mr. Russell ist ein verheirateter Mann, Papa! Es besteht keine Möglichkeit zu irgendetwas anderem. Wir sind Freunde, das ist alles.«
    »Das weiß ich natürlich. Aber die öffentliche Meinung verkennt häufig das Naheliegende und nimmt gern das Schlimmste an. Und als Tochter eines Geistlichen der Kirche von England musst du über jeden Verdacht erhaben sein. Bond hat mir etwas berichtet, das mir bisher unbekannt war. Dieser Mann ist in einen öffentlichen Skandal verwickelt. Seine Frau hat ihn verlassen, allerdings vermute ich, dass er derjenige ist, der die Schuld daran trägt. Es ist meine Pflicht als Christ, ihn in meinem Haus zu empfangen, aber es schickt sich nicht, dass du mit ihm gesehen wirst, Laura. Ich habe es nie über mich gebracht, dir etwas zu verbieten, das weißt du. Und auch, wenn du eine junge Frau mit eigenem Kopf bist, hast du uns nie Anlass zur Sorge gegeben.«
    »Papa, das tue ich auch jetzt nicht!«
    »Vielleicht nicht. Aber ich rate dir, vorsichtig zu sein. Er wird unsere Fenster anfertigen und dann aus unserem Leben verschwinden. Und noch etwas, Laura: Ich akzeptiere deine Gefühle hinsichtlich Mr. Bonds Avancen, aber ich bitte dich, auch meine Situation zu sehen. Er ist ein wichtiger Unterstützer unserer Pfarre, und ich werde nicht verhindern können, dass ihr euch von Zeit zu Zeit begegnet.«
    »Ich will ja auch nicht, dass er aus der Kirche verbannt wird, Papa. Ich möchte bloß nicht, dass ich ihn ausgerechnet an meinem Geburtstag in unserem Salon künstlich anlächeln muss.«
    Jetzt lachte ihr Vater und drückte ihr die Hand. »Ah, meine Liebe, es tut mir wirklich leid. Insgeheim bin ich ja auch ein bisschen froh, dass du noch eine Weile bei uns bleibst – auch wenn Mr. Bond ein ganz ausgezeichneter Ehemann für dich wäre. Aber jetzt muss ich mich um die Sonntagspredigt kümmern. Das Thema ist dieses Mal besonders schwierig.« Er klopfte ihr noch einmal auf die Schulter und begleitete sie hinaus.
    Laura stand in der Diele und versuchte, ihre Gefühle zu ordnen. Aus dem Salon kamen die beruhigenden Klänge von Chopins Regentropf en-Prélude, gespielt von ihrer Mutter mit aller Leidenschaft, deren sie fähig war.
    Wieso musste dieser Mann, dieser Bond, sich einmischen? Warum musste er verderben, was so gut begonnen hatte? Noch immer hielt sie sein Paket in ihren Händen. Als sie das Papier aufriss, sah sie, dass es ein Buch war, Sesam und Lilien von John Ruskin. Über dieses Geschenk hätte sie sich sehr gefreut, wenn es von jemand anderem gestammt hätte.
    »Oh, dieser schreckliche Mann!«, weinte sie und warf das Buch auf einen Konsoltisch, wo es gegen eine Bronzestatue des heiligen Christophorus mit dem Jesuskind auf den Schultern stieß. Die Figur fiel mit lautem Klirren zu Boden.
    Das Chopin-Stück brach ab. Eine lange Stille folgte, dann drangen die krachenden Eröffnungsakkorde von Beethovens Pathétique zu Laura herüber.
    Sie hörte eine Zeitlang zu und ließ sich von der Musik forttragen. Dann hob sie die Statue auf, stellte erleichtert fest, dass sie noch heil war, und stieg die Treppe hinauf.
    Als sie sich erneut im Spiegel ihres Vaters betrachtete, begannen ihre Gedanken zu kreisen. Das Mädchen, das

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