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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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sie anblickte, konnte nicht als schön bezeichnet werden, aber es besaß Geist und Kraft. Das vorgereckte Kinn ließ auf eine gewisse Sturheit schließen. Plötzlich wusste Laura, was sie tun musste.
    Als die Dämmerung hereinbrach, saß sie in ihrem Zimmer und schrieb einen Brief an Mr. Russell, in dem sie ihm versicherte, wie viel Zustimmung seine Entwürfe in ihrer Familie gefunden hätten. Sie zögerte einen Augenblick, dann setzte sie hinzu: Es würde mich sehr interessieren, die Herstellung der Fenster zu verfolgen – natürlich nur, wenn Sie keine Einwände erheben.

22. KAPITEL
    Denn er bietet seine Engel für dich auf, dich zu bewahren auf allen deinen Wegen.
    Psalm 91,11
    »Zac, ich hab’s gefunden! Sieh nur!« Am nächsten Morgen wartete ich nicht mal, bis er sich die Jacke ausgezogen hatte. Aber Zac war genauso begeistert wie ich, als er die Zeichnungen sah.
    »Fran, das ist ja genau das, was wir gesucht haben! Er ist großartig!«
    »Glaubst du, es ist ein Er?«
    Zac dachte einen Moment nach und zuckte die Achseln. »Könnte beides sein. Aber die Gesichtsform ist eher maskulin, findest du nicht auch? Mit kantigem Kiefer, wie ein Renaissanceengel. Und die Hände sind für eine Frau auch zu kräftig.«
    »Aber die Gesichtszüge …«
    »… sind sehr zart, da stimme ich dir zu. Nein, es könnte tatsächlich beides sein.«
    »Es ist Raphael, Zac. In Lauras Tagebuch gibt es einen Abschnitt darüber. Schau da, der Pilgerstab und die zum Segensgruß erhobene Hand. Und der Spruch ›Gott heilt‹. Gabriel würde eine Lilie in der Hand halten.« Ich schwenkte die Zeichnung und veranstaltete einen kleinen Freudentanz, der Zac zum Lachen brachte. »Ist das nicht fantastisch? Komm, wir müssen unbedingt Jeremy anrufen!«
    Der Pfarrer befand sich gerade in einem Etatgespräch mit dem Pfarrgemeinderat, versprach aber, so schnell wie möglich vorbeizukommen.
    Amber kam zu spät.
    »Es tut mir leid, aber heute Morgen war die Polizei da. Wegen irgendeiner Prügelei heute Nacht. Lisa kennt die Typen, aber keiner macht den Mund auf.«
    »Wurde jemand ernsthaft verletzt?«, fragte ich.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Soweit ich weiß, nicht. Oh, was ist das denn?« Sie bewunderte das Bild von Raphael. Ihrer Meinung nach handelte es sich eindeutig um einen männlichen Engel.
    Doch Jeremy blieb bei seiner Ansicht, Engel seien androgyn.
    »Aber man kann zu einem Engel doch nicht ›es‹ sagen«, protestierte Amber. »Das klingt ganz merkwürdig.« Am Ende entschieden wir uns für ›er‹, und bei ›er‹ für Raphael blieben wir dann auch.
    Der Pfarrer hatte noch einen weiteren Termin und nur wenig Zeit. Daher vereinbarten wir, uns am Donnerstagmorgen erneut zu treffen, um zu überlegen, wie es nun weitergehen solle.
    Als er fort war, fiel mir ein, dass Jo und ich an diesem Abend verabredet waren. Ich hatte nichts mehr von ihr gehört, daher wählte ich ihre Nummer, um ihr eine Nachricht zu hinterlassen. Zu meiner Überraschung war sie zu Hause. »Ach je, wie blöd. Es tut mir wirklich unendlich leid«, sagte sie. »Ich hab’s völlig vergessen, und jetzt hab ich was anderes vor. Ich bin gerade dabei, mich anzuziehen, Fran. Ich kann das unmöglich absagen.«
    »Das ist schade«, antwortete ich niedergeschlagen. Die Zeiten, in denen man sich felsenfest auf Jo verlassen konnte, schienen ein für alle Mal vorbei zu sein. Ich war enttäuscht. Aber nachdem ich aufgelegt hatte, fiel mir ein, dass ich Ben morgen sehen würde, und das munterte mich wieder auf.
    Um fünf Uhr, als ich endlich mit dem Auspacken der morgens bestellten Ware fertig war und das Ladenschild auf »Geschlossen« gedreht hatte, rief die Kunsthistorikerin aus Ely an, um mir mitzuteilen, was sie über Philip Russell herausgefunden hatte.
    »Am meisten wird Sie sicher die Beziehung zu Minster Glass interessieren«, sagte sie. »Wussten Sie, dass Philip Russell die Firma irgendwann übernommen hat?«
    Vor Erstaunen wäre mir fast das Telefon aus der Hand gefallen.
    »Das habe ich in irgendeiner Fußnote gelesen. Reuben Ashe, dem die Firma damals gehörte, hat ihm 1885 angeboten, sein Partner zu werden.«
    »Aber das bedeutet ja«, rief ich atemlos, »dass er ein Mitglied meiner Familie sein könnte!« Ich erklärte ihr, dass das Geschäft von Generation zu Generation weitervererbt worden war. Dabei wurde mir jedoch klar, dass ich nicht mal wusste, ob meine Vorgänger Ashe oder Russell hießen.
    »So eine Kontinuität ist heutzutage nur selten«, antwortete

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