Der Zauber des Engels
sie. »Aber es ist definitiv möglich.«
»Da wir den Engel praktisch aus dem Nichts rekonstruieren, ist es schwierig, so zu arbeiten, als sei das Ganze eine reine Konservierung.«, erklärte Zac dem Pfarrer am Donnerstag. »Aber natürlich werden wir möglichst viel Originalglas verwenden und uns so weit wie möglich an den Richtlinien für die Erhaltung orientieren.«
Wir standen in der Werkstatt, der Engel lag vor uns auf dem Tisch; wir hätten ebenso gut Chirurgen sein können, die gerade besprachen, wo sie bei ihrem narkotisierten Patienten den ersten Schnitt ansetzten.
»Und wenn Sie nicht ein rein viktorianisches, dafür aber nur halb fertiges Fenster haben wollen, das in irgendeinem Museumskeller herumsteht, werde ich die fehlenden Stellen durch neues Glas ersetzen. Und dann passen wir es in einen Bronzerahmen ein, der vor dem jetzigen Klarglasfenster aufgehängt werden kann.«
Reverend Quentin nickte. »Was wissen wir denn über den Künstler?«, fragte er und setzte sich umständlich auf einen Hocker.
»Ich vermute, Sie möchten gern wissen, ob das Fenster irgendeinen künstlerischen Wert besitzt?«
»Ja. Wenn es ein wichtiger Künstler war – ich meine damit nicht unbedingt vom Format eines Burne-Jones –, würden wir dann nicht, wenn ich es so ausdrücken darf, in Teufels Küche kommen, wenn wir die Lücken einfach ausfüllen? Haben Sie eigentlich etwas über Philip Russell herausfinden können, Fran?«
Ich hatte Jeremy bereits erklärt, dass Laura Brownlows Tagebuch uns vielleicht helfen könnte, die Fertigung des Fensters zu dokumentieren. Aber leider hatte mein Kontakt zum Museum of Stained Glass mir bis auf die mögliche Verbindung zu Minster Glass nicht viel über Russell sagen können.
»Sie kannte nur zwei oder drei andere Fenster, die noch unversehrt und ihm direkt zuzuschreiben sind.« Eine Geburtsszene in St. Helen’s in Brighton und eine Verkündigung in St. Aloysius in Islington. »Aber für uns ist seine Verbindung zu unserer Firma noch wichtiger. Er ist eine Partnerschaft mit dem damaligen Besitzer Reuben Ashe eingegangen und hat die Firma schließlich übernommen. Daher war er zweifellos indirekt für viele weitere Fenster verantwortlich.«
»Das ist etwas, was dein Vater vielleicht gewusst haben könnte … äh, ich meine, wissen könnte.« Zac errötete über seinen Versprecher.
»Ja«, antwortete ich lächelnd, »obwohl ich in seinen Papieren oben im Dachgeschoss keinen Hinweis darauf gefunden habe.«
»Wie war denn sein Ruf als Künstler?«, fragte Jeremy mich.
»Die Kunsthistorikerin meinte, er sei nicht sehr bekannt gewesen. Aber angesichts der Qualität des Marienfensters hat er doch mehr Aufmerksamkeit verdient, oder?«
»Tja, die Frage ist, ob es sich lohnt, sein Werk zu erhalten.«
»Auf jeden Fall!«, rief Zac, und ich sagte gleichzeitig: »Unbedingt!«
»Hm.« Wir warteten. Jeremy klopfte mit den Fingern auf den Tisch, schließlich meinte er: »Ich denke, wir sollten das tun, was Zac vorgeschlagen hat. Das Fenster restaurieren und notfalls neues Glas einsetzen. Ich möchte das Fenster gern wieder in der Kirche sehen. Ich bin sicher, wir können den Schrank verschieben und das andere Fenster freimachen. Es wird etwas dauern, bis wir alle überzeugt haben, aber wir werden es schaffen.« Seine Augen funkelten vor Begeisterung.
»Gut.« Zac nickte. »Glauben Sie, dass dieses andere Fenster genauso groß ist wie das nebenan?«
»Ich denke, ja. Aber ich helfe Ihnen beim Ausmessen, wenn Sie morgen zu mir kommen. Ich werde fast den ganzen Vormittag im Pfarrbüro sein.«
»Ist das okay, Zac?«, fragte ich. »Wenn Amber kommt, kann ich dich natürlich begleiten. Aber wir haben sie bis Montag eigentlich nicht mehr eingeplant.«
»Kein Problem«, antwortete er. »Oder glaubst du etwa, ich schaffe das nicht?« Dieses Mal verkniff er sich das Lächeln.
»Nein, nein«, wehrte ich hastig ab. »Ich meinte nur …« Er lachte, und ich runzelte die Stirn wegen seines Spotts.
Zac kam mir in dieser Woche viel gelöster vor als sonst. Sicher hatte das mit den Fortschritten an unserem Engel zu tun, aber vielleicht hatte es ihm auch geholfen, dass er mir die Sorgen um seine Tochter anvertraut hatte.
Als Ben mir an diesem Abend die Tür öffnete, trug er eine Schürze, die mit lauter kleinen Musiker-Cartoons bedruckt war. Er wirkte erhitzt, seine Haare waren zerzaust.
»Am besten kommst du gleich mit in die Küche, Fran«, sagte er, nachdem er mir zur Begrüßung ein eiliges
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