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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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Andererseits mache ich etwas, was mir Spaß macht, und ich weiß nicht, ob Michael das von sich behaupten kann.«
    »Glaubst du, er mag seinen Job nicht?«
    »Nein, versteh mich nicht falsch.« Ben schüttelte den Kopf. »Er findet seine Arbeit sicher interessant. Aber natürlich lebt er nicht so sehr für seinen Beruf wie ich. Für mich ist die Musik mein ganzes Leben, Fran.« Als er das sagte, lag eine große Entschlossenheit in seinem Blick, und ich begriff, dass die Musik für Ben tatsächlich über allem stand. Diese bedingungslose Leidenschaft machte ihn umso interessanter.
    »So habe ich das noch nie betrachtet«, antwortete ich langsam. »Ich liebe die Musik auch, aber ich glaube, ich könnte auch ohne sie leben.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich nicht. Ganz und gar nicht.«
    »Ich bin überrascht, wie viel Spaß mir die Arbeit mit Glas wieder macht.«
    »Dann gibt es also gleich zwei Gebiete, auf denen du gut bist. Heißt es nicht, dass Menschen, die zweierlei Talente haben, besonders glücklich sind?« Er stand auf. »Wie wär’s jetzt mit etwas Tiramisu?«
    »Muss ich es machen?«, fragte ich müde.
    »Nein, nein, bloß essen.« Er öffnete den Kühlschrank und inspizierte den Inhalt einer Glasschüssel. »Ich hoffe, das Dessert ist noch gut«, meinte er mit zweifelnder Miene.
    Irgendwann später ging ich hoch ins Bad. Und als ich herauskam, bemerkte ich ein paar Bilder, die im Flur an die Wand gelehnt waren, als warteten sie darauf, aufgehängt zu werden. Neugierig hob ich das erste hoch. Es war ein großes Schulfoto. »Wellingsbury 1978« stand darauf. Bens blonder Haarschopf in der letzten Reihe war leicht zu erkennen. Hinter diesem Foto stand ein anderes, das ich einen Moment anschaute. Es zeigte einen atemberaubend attraktiven Ben mit kürzeren Haaren, perfekt modellierten Gesichtszügen und gebräunter Haut. Dann folgten noch einige gerahmte Konzertplakate und zum Schluss eine Broschüre für eine Ravel- und Debussy-Konzertreihe bei einem Musikfestival vor vier Jahren. Bens Name war aufgeführt, doch darunter war der Name einer weiteren Pianistin gedruckt: Beatrix Claybourne. Ich betrachtete das dramatisch beleuchtete Porträt einer ernst aussehenden jungen Frau mit streng zurückgebundenen schwarzen Haaren. Ihr Gesichtsausdruck war sehr eindringlich. Etwas irritiert stellte ich die Bilder wieder zurück und ging nach unten.
    Ben hatte im Wohnzimmer die Vorhänge zugezogen. Wir setzten uns an den Kamin und tranken Kaffee wie ein altes Ehepaar.
    »Was ist eigentlich am Montagabend nach der Chorprobe im Pub passiert?«, fragte ich ihn, während ich meine Schuhe abstreifte und gemütlich die Beine anzog. »Ich hatte den Eindruck, dass du ziemlich belagert worden bist.«
    »Ah, du meinst das Häkelkränzchen.« Er leerte seine Tasse in einem einzigen Zug. »Die Damen, die sich zur Probe Kissen mitbringen und sich gegenseitig Plätze frei halten.«
    Ich lachte, erinnerte mich aber an etwas, das Dominic mir erzählt hatte. »Sei nicht so böse, Ben. Der Montag ist für sie wahrscheinlich der Höhepunkt der Woche.«
    »Mag sein. Aber sie gehören zu der Sorte Menschen, die keinerlei Veränderungen ertragen, auch wenn das manchmal nötig ist. Sie kriegen einfach nicht mit, was um sie herum passiert und dass sie sich an neue Bedingungen gewöhnen müssen. Da draußen herrscht eine Friss-oder-stirb-Mentalität, Fran. Vor allem, wenn man Auftritte auf größeren Bühnen oder vielleicht sogar im Fernsehen anstrebt.«
    »Aber das tun wir doch nicht, oder?«, fragte ich erstaunt.
    »Vielleicht doch. Unser Chor besitzt großes Potenzial. Wir haben ein paar richtig gute Stimmen und Musiker wie dich oder Val und Crispin. Und eine Menge Kontakte. Ich finde, wir könnten ruhig etwas ehrgeiziger sein.«
    »Und was sagt der Beirat dazu?« Ich hatte festgestellt, dass es einen Ausschuss gab, der sich regelmäßig traf. Michael gehörte dazu, Dominic und ein paar andere. Sie organisierten Auftritte und halfen Val, das Orchester zusammenzustellen.
    »Morgen findet ein Treffen statt, vor der Probe des Kirchenchors. Dann werde ich ein paar meiner Ideen ansprechen.«
    »Na dann, viel Glück.« Ich unterdrückte ein Gähnen und schaute auf meine Armbanduhr. »Du meine Güte, ich muss gehen. Ich muss morgen früh aufstehen.«
    Als wir uns wenig später an der Tür verabschiedeten, küsste Ben mich auf die Wangen und hielt mich einen Moment an sich gedrückt. »Der Abend war fantastisch«, sagte er mit wunderbar samtiger Stimme.

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