Der Zauber des weissen Wolfes
schrecklich zwischen den Kriegern wütete.
Er dachte das Kämpfen jenen zu überlassen, die er nach Imrryr geführt hatte, verfolgte er doch andere Pläne, die ihm auf den Nägeln brannten. Hinter den gelbgekleideten Soldaten erhoben sich die mächtigen Türme Imrryrs in wei- chen, schillernden Farben: Korallenrot und pulverblau, goldgelb und hellgelb, weiß und mattgrün - ein wunderschönes Panorama. Einer dieser Türme war Elrics Ziel - der Turm von D'a'rputna. Dorthin sollte Krummknochen Cymoril bringen -in dem Durcheinander war das sicher möglich.
Elric bahnte sich einen blutigen Weg durch die Reihen der Männer, die ihn aufhalten wollten. Die Gegner zuckten fürchterlich schreiend zurück, sobald das Runenschwert ihre Seele zu schlürfen begann.
Und schon war Elric aus der Gruppe heraus und überließ die Gegner den hellen Klingen der Angreifer, die nun über den Kai ausschwärmten. Er hastete durch die gewundenen Straßen, und sein Schwert tötete jeden, der ihn aufzuhalten versuchte. Wie ein bleiches Gespenst wirkte er, die Kleidung blutig und zerrissen, die Rüstung gebrochen und zerkratzt, doch er eilte über das Kopfsteinpflaster und erreichte endlich den schmalen Turm, der hellblau und golden schimmerte - den Turm von D'a'rputna. Die Tür stand offen, ein Zeichen, daß sich jemand darin befand, und Elric eilte hinein und betrat das große Gemach im Erdgeschoß. Niemand begrüßte ihn.
»Krummknochen!« rief er, und selbst ihm kam seine Stimme übermäßig laut vor. »Krummknochen - bist du hier?« Mit großen Sätzen eilte er die Treppe hinauf und rief immer wieder den Namen seines Dieners. In der dritten Etage blieb er plötzlich stehen, nachdem er aus einem Zimmer ein leises Stöhnen gehört hatte. »Krummknochen - bist du das?« Elric näherte sich dem Raum und hörte dabei ein ersticktes Keuchen. Er stieß die Tür auf, und sein Magen wollte sich umdrehen, als er den alten Mann auf dem kahlen Boden der Kammer liegen sah, vergeblich bemüht, das Blut aufzuhalten, das aus einer großen Wunde an seiner Seite strömte.
»Was ist passiert, Mann? Wo ist Cymoril?«
Das alte Gesicht Krummknochens verzerrte sich vor Schmerz und Kummer. »Sie... ich... ich brachte sie hierher, Herr, wie du mir befohlen hattest. Aber.« Er hustete, und Blut tröpfelte ihm über das graue Kinn. »Aber - Prinz Yyrkoon. er. holte mich ein. sagte, sie wäre im Turm von B'aal'nezbett am besten aufgehoben. Herr. es tut mir leid.«
»Dazu hast du auch guten Grund!« fauchte Elric aufgebracht. Dann fuhr er leiser fort: »Mach dir keine Sorgen, alter Freund - ich werde dich und mich rächen. Noch kann ich Cymoril erreichen, weiß ich doch, wohin Yyrkoon sie gebracht hat. Ich danke dir für deinen Versuch - möge deine lange Reise auf dem großen Fluß angenehm verlaufen.«
Er machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Gemach. Dann eilte er die Treppe hinab und erreichte die Straße.
Der Turm von B'aal'nezbett war das höchste Bauwerk im Königspalast. Elric kannte ihn gut, denn dort hatten seine Vorfahren ihre unheimlichen Zaubereien studiert und schreckliche Expe- rimente durchgeführt. Er erschauderte bei dem Gedanken, was Yyrkoon seiner eigenen Schwester antun mochte.
Die Straßen der Stadt schienen still und seltsam verlassen zu sein, doch Elric hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Vielmehr hastete er zum Palast, fand das Haupttor unbewacht und den Hauptzugang zum Gebäude verlassen. Das war ebenfalls noch nie dagewesen - aber ein Glück für Elric, der in die Höhe zu steigen begann, der vertraute Treppenfluchten und Gänge durcheilte, um zum höchsten Turm zu gelangen.
Endlich erreichte er eine Tür aus schimmernd schwarzem Kristall, eine Tür ohne Riegel oder Griff. Verzweifelt hämmerte Elric mit seiner Zauberklinge gegen die Kristallbarriere, die aber nur zu zerströmen und immer wieder neu zu entstehen schien. Seine Schläge blieben ohne Wirkung.
Elric zermarterte sich den Kopf, versuchte sich an das einzige fremde Wort zu erinnern, das ihm die Tür öffnen würde. Er wagte sich nicht in die Trance zu versetzen, die ihm das Wort nach einiger Zeit zu Bewußtsein gebracht hätte, statt dessen mußte er sein Gedächtnis durchforschen und den Begriff finden. Es war gefährlich, doch er konnte kaum etwas anderes tun. Sein ganzer Körper zitterte, sein Gesicht zuckte und verzerrte sich, sein Gehirn begann zu vibrieren. Das Wort stieg in ihm empor, die Stimmbänder zuckten in seinem Hals, seine Brust weitete sich
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