Der Zauber des weissen Wolfes
erwischte und beinahe völlig durchtrennte.
Doch unglaublicherweise blieb Yyrkoon am Leben: er zog Leben aus der Klinge, die noch gegen Elrics runengeschmiedetes Schwert hämmerte. Er packte Cymoril und stieß sie in seine Richtung-und sie starb schreiend auf Sturmbringers Spitze.
Dann stimmte Yyrkoon ein letztes schrilles Kichern an, und seine schwarze Seele heulte in die Hölle hinab.
Der Turm nahm seine früheren Proportionen wieder an: Feuer und Lava waren verschwunden. Elric war wie betäubt - er vermochte keinen klaren Gedanken zu fassen. Er blickte auf Bruder und Schwester hinab, die tot vor ihm lagen. Zuerst sah er sie nur als Leichen, als irgendeinen Mann und irgendeine Frau. Dann dämmerte ihm die entsetzliche Wahrheit, und er schrie klagend auf, wie ein Tier. Er hatte das Mädchen getötet, das er liebte. Das Runenschwert, von Cymorils Blut befleckt, fiel ihm aus der Hand und klirrte die Stufen hinab. Schluchzend ließ sich Elric neben das tote Mädchen fallen und nahm es in die Arme.
»Cymoril!« klagte er, und sein ganzer Körper verkrampfte sich vor Schmerz. »Cymoril - ich habe dich getötet!«
4
Elric blickte zu den brausenden, abbröckelnden, einstürzenden, flammentosenden Ruinen Imrryrs zurück und hielt die schwitzenden Ruderer zu schnellerem Tempo an. Das Schiff, dessen Segel noch gerefft waren, bäumte sich auf, als ein widriger Wind es anfiel, und Elric mußte sich an der Reling festhalten, um nicht über Bord geschleudert zu werden. Er blickte nach Imrryr zurück und spürte eine seltsame Enge im Hals, als ihm aufging, daß er nun wirklich wurzellos war: ein Renegat und Frauentöter, wenn auch letzteres ohne Absicht. In seinem blinden Rachestreben hatte er die einzige Frau verloren, die er geliebt hatte. Nun war es vorbei - alles war vorbei. Er konnte sich eine Zukunft nicht vorstellen, war doch seine Zukunft bisher in seine Vergangenheit eingebunden gewesen, eine Vergangenheit, die jetzt hinter ihm in Flammen stand. Ein trockenes Schluchzen wogte in seiner Brust empor, und er klammerte sich noch fester an die Reling.
Widerwillig beschäftigte sich sein Verstand mit Cymoril. Er hatte ihren Leichnam auf eine Couch gelegt und den Turm in Brand gesteckt. Dann war er zu den erfolgreichen Angreifern zurückgekehrt, die beladen mit Beute und Sklavinnen zu den Schiffen eilten und dabei frohgemut die wunderschönen Gebäude ansteckten.
Er hatte die Vernichtung des letzten greifbaren Relikts eingeleitet, des letzten Hinweises darauf, daß es das wunderbare Strahlende Reich überhaupt jemals gegeben hatte. Nun war ihm, als wäre mit der Stadt auch der größte Teil seines Ich untergegangen.
Elric blickte auf Imrryr und wurde plötzlich von noch größerer Traurigkeit ergriffen, als ein Turm, zart und schön wie Spitzengewebe, inmitten züngelnder Flammen zusammenstürzte.
Er hatte das letzte große Denkmal der frühen Rasse vernichtet - seiner eigenen Rasse. Vielleicht hätte es die Menschheit eines Tages wieder gelernt, schlanke, widerstandsfähige Türme wie jene von Imrryr zu errichten, doch jetzt erstarb dieses Wissen mit dem chaotisch-donnernden Einsturz der Träumenden Stadt und mit der schnell schwindenden Rasse Melnibones.
Aber was war mit den Drachenmeistern? Weder sie noch ihre goldenen Schiffe hatten sich den Angreifern entgegengestellt- nur die Fußsoldaten hatten die Stadt verteidigt. Hatten sie ihre Schiffe in einem geheimen Wasserweg versteckt und waren ins Binnenland geflohen? Sie hatten sich zuwenig gewehrt, um wirklich besiegt zu sein. Das Ganze war zu einfach gewesen. Wollten sie im Ge- genschlag angreifen, nachdem sich die Schiffe nun zurückzogen?
Elric glaubte, daß ein solcher Plan bestehen könnte, vielleicht war eine Attacke mit Drachen vorgesehen. Er erschauderte. Er hatte den anderen nichts von den Ungeheuern erzählt, die die Melniboneer seit Jahrhunderten beherrschten. In diesem Augenblick mochte jemand die Tore der unterirdischen Drachenhöhlen öffnen. Er schlug sich solche aufwühlenden Gedanken aus dem Kopf.
Die Flotte hielt auf die offene See zu, und Elrics Augen waren traurig auf Imrryr gerichtet: dieser Stadt seiner Vorväter und der toten Cymoril galt seine stumme Trauer. Heiße Bitterkeit erfüllte ihn bei dem peinigenden Gedanken an ihren Tod auf seiner Schwertspitze. Er dachte an ihre Warnung, als er sie verließ, um in den Jungen Königreichen Abenteuer zu erleben, an die Warnung, daß er sie beide in Gefahr brächte, wenn er Yyrkoon als Regent auf
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