Der Zauber des weissen Wolfes
wäre ich gar kein Mann mehr!«
2
Sie bestiegen ihre schnellen schwarzen Pferde und spornten sie voller Heftigkeit an, daß sie den Hügel zum Sumpf hinabgaloppierten. Die Mäntel wehten hinter ihnen im Winde, flatterten hoch durch die Luft. Beide ritten mit starren, harten Gesichtern und weigerten sich, die schmerzende Ungewißheit zu akzeptieren, die in ihnen lauerte. Und ehe sie die Tiere zurückhalten konnten, klatschten die Hufe in unsicheres Sumpfland. Fluchend zerrte Elric an den Zügeln, zog sein Pferd auf festen Boden zurück. Shaarilla kämpfte ebenfalls gegen ihren nervösen Hengst und lenkte ihn auf den festen Grund der Grasnarbe.
»Wie gehen wir vor?« fragte Elric ungeduldig.
»Ich hatte eine Karte...«, begann Shaarilla zö- gernd.
»Wo ist sie?«
»Sie. sie ist verloren gegangen. Ich habe sie verloren. Aber ich habe mir große Mühe gegeben, alles auswendig zu lernen. Ich glaube, ich kann uns hindurchführen.«
»Wie hast du die Karte verloren - und warum hast du mir nicht früher davon erzählt?« fragte Elric aufgebracht.
»Es tut mir leid, Elric. aber unmittelbar bevor ich dich in der Taverne traf, war mein Gedächtnis einen ganzen Tag lang gestört. Irgendwie brachte ich einen Tag hinter mich, ohne es zu merken -und als ich erwachte, fehlte die Karte.«
Elric runzelte die Stirn. »Irgendeine Kraft arbeitet gegen uns, davon bin ich überzeugt«, murmelte er. »Aber ich habe keine Ahnung, wer es ist.« Laut sagte er zu ihr: »Wollen wir hoffen, daß dein Gedächtnis dich nicht im Stich läßt. Die Sümpfe sind auf der ganzen Welt berüchtigt, doch zumindest erwarten uns hier lediglich na- türliche Gefahren.« Er verzog das Gesicht und legte die Finger um den Griff seines Runenschwertes. »Reite du voran, Shaarilla, aber halte dich in der Nähe. Führe mich.«
Sie nickte betäubt, zog den Kopf ihres Pferdes nach Norden und ritt am Sumpfufer entlang, bis sie eine Stelle erreichte, an der ein großer, spitz zulaufender Felsen aufragte. Von hier führte ein grasbewachsener Weg, etwa vier Fuß breit, in den nebligen Sumpf hinaus.
Die beiden vermochten ihn wegen des dichten Nebels nur ein kurzes Stück weit zu überblicken, doch es sah aus, als bliebe der Weg auf weite Strecken fest. Shaarilla lenkte ihr Pferd auf den Pfad und entfernte sich in langsamem Trott, Elric folgte ihr dichtauf.
Zögernd bewegten sich die Pferde durch den dichten, wirbelnden Nebel, der weißlich schimmerte, und die Reiter mußten die Zügel kurz halten. Der Nebel erfüllte den Sumpf mit Stille, und die schimmernden feuchten Sumpfflächen stan- ken faulig. Kein Tier huschte davon, kein Vogel krächzte über ihnen. Überall herrschte eine gespenstische, angstvolle Stille, die Pferde und Reiter nervös machte.
Mit angstverschnürter Kehle ritten Elric und Shaarilla immer tiefer in den unnatürlichen Nebelsumpf hinein, die Augen wachsam geweitet, die Nasenflügel bebend, um den Duft der Gefahr im stinkenden Morast früh genug auszumachen.
Stunden später - die Sonne war längst durch den Zenit gewandert - stieg Shaarillas Pferd plötzlich schrill wiehernd auf die Hinterhand. Shaarilla rief nach Elric; ihr zartes Gesicht war vor Furcht verzerrt, während sie in den Nebel starrte. Elric trieb sein bockendes Pferd an und zügelte es neben dem anderen.
Irgend etwas bewegte sich langsam und drohend in der bedrückenden feuchten Weiße. Elrics rechte Hand zuckte zur linken Hüfte und packte Sturmbringers Griff.
Die Klinge kreischte aus der Scheide, schwar- zes Feuer zuckte an der Schneide entlang, und eine unheimliche Kraft strömte aus der Waffe in Elrics Arm und durch seinen Korper. Ein gespenstisches, fahles Licht funkelte in Elrics roten Augen, und sein Mund war zu einem scheußlichen Grinsen verzogen, als er das erschrockene Pferd noch tiefer in die wallenden Nebel drängte.
»Arioch, Lord der Sieben Dunkelheiten, steh mir bei!« rief Elric, als er die veränderlichen Umrisse vor sich ausmachte. Das Gebilde war weiß wie der Nebel, doch irgendwie dunkler. Es erstreckte sich hoch über Elrics Kopf. Es war beinahe acht Fuß groß und fast genauso breit. Doch es war nur ein Umriß und schien kein Gesicht und auch keine Gliedmaßen zu haben, es bewegte sich lediglich ruckhaft und bösartig. Doch Arioch, Elrics Schutzgott, reagierte nicht.
Elric spürte das große Herz seines Pferdes zwischen seinen Beinen schlagen, als das Wesen unter der eisernen Kontrolle seines Reiters vorpreschte. Shaarilla rief irgend etwas hinter
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