Der Zauber des weissen Wolfes
lachte Shaarilla freudlos, »Ach, sie sind unmenschlich, Elric? Was ist dann über mein Volk zu sagen, das mit ihnen verwandt ist, Elric? Was ist mit mir, Elric?«
»Für mich bist du Mensch genug«, erwiderte Elric unbekümmert und blickte ihr in die Augen. Sie lächelte.
»Das war kein Kompliment«, sagte sie, »doch ich will es als solches auffassen - bis deine geschickte Zunge ein besseres findet.«
Später fielen sie in einen unruhigen Schlaf, und wie er vorausgesagt hatte, wurde Elric von entsetzlichen Träumen geplagt und schrie und rief einen Namen, der Shaarillas Augen mit Schmerz und Eifersucht erfüllte. Der Name Cymoril. In grimmigem Schlaf gebannt, schien Elric mit weit aufgerissenen Augen auf das Wesen zu starren, das er rief, und sprach dann andere Worte in einer zischenden Sprache, die Shaarilla veranlaßte, sich schaudernd die Ohren zuzuhalten.
Als sie am nächsten Morgen das Lager abbrachen und die raschelnde Seidenplane des Zeltes zwischen sich zusammenfalteten, vermied Shaarilla jeden direkten Blick auf Elric. Als er jedoch seinerseits nicht das Wort ergriff, stellte sie ihm später mit leicht zitternder Stimme eine Frage.
Es war eine Frage, die ihr auf der Seele brannte, die ihr aber nur mühsam über die Lippen kam. »Warum erstrebst du das Buch der Toten Götter, Elric? Was glaubst du darin zu finden?«
Elric tat die Frage achselzuckend ab, doch sie wiederholte ihre Worte weniger langsam und mit mehr Nachdruck.
»Also schön«, sagte er schließlich. »Aber es fällt mir nicht leicht, dir in wenigen Sätzen zu antworten. Wenn du so willst, möchte ich gern eines von zwei Dingen wissen.« »Und das wäre, Elric?«
Der große Albino legte seufzend das zusammengefaltete Zelt ins Gras. Seine Finger spielten nervös am Knauf des Runenschwerts. »Gibt es einen höchsten Gott - oder nicht? Das muß ich wissen, Shaarilla, wenn mein Leben überhaupt eine Richtung bekommen soll.
In diesem Augenblick herrschen die Lords von Ordnung und Chaos über unser Leben. Aber gibt es ein Wesen, das über ihnen steht?«
Shaarilla legte Elric eine Hand auf den Arm. »Warum mußt du das wissen?« fragte sie.
»Manchmal suche ich verzweifelt nach dem Trost eines wohlwollenden Gottes, Shaarilla. Ich liege nachts wach, und mein Geist beginnt zu wandern, sucht in schwarzer Öde nach irgend etwas, das mich zu diesem Gott führt, das mich wärmt, mich schützt, mir versichert, daß es im chaotischen Gewirr des Universums eine Ordnung gibt, daß die Präzision unserer Planeten Bestand hat und nicht etwa nur ein kurzer, heller Funke der Vernunft in einer Ewigkeit der Unordnung war.«
Elric seufzte, und in seiner leisen Stimme schwang Hoffnungslosigkeit. »Wenn ich keine Bestätigung der Ordnung der Dinge erhalte, liegt mein einziger Trost darin, das Chaos zu akzeptieren. So könnte ich denn im Chaos aufgehen und mir ohne Angst vor Augen führen, daß sie alle von Anfang an zum Untergang verurteilt sind - daß unsere kurze Existenz so bedeutungslos wie hoffnungslos ist. Dann kann ich auch hinnehmen, daß wir mehr als verlassen sind, weil es dann niemals etwas gegeben hat, das uns im Stich lassen konnte. Ich habe alle Beweise bedacht, Shaarilla, und muß annehmen, daß das Chaos vorherrscht- trotz all der Gesetze, die unsere Handlungen, unsere Zauberei, unsere Logik zu steuern scheinen. Ich sehe nur Chaos auf der Welt. Wenn mir das Buch, das wir suchen, etwas anderes offenbart, will ich gern daran glauben. Bis zu dem Augenblick verlasse ich mich allein auf mein Schwert und auf mich selbst.«
Shaarilla bedachte Elric mit einem seltsamen Blick. »Ist es nicht möglich, daß diese Philosophie von Ereignissen der letzten Zeit beeinflußt wurde? Fürchtest du die Folgen deines Mordes und deines Verrats? Ist es nicht tröstlicher für dich, an Strafen zu glauben, die selten gerecht sind?«
Elric wandte sich mit zornig blitzenden roten Augen zu ihr um, doch als er den Mund aufmachte, wich der Zorn von ihm, und er barg seine Augen vor ihrem Blick.
»Vielleicht«, sagte er lahm. »Ich weiß es nicht, Shaarilla, und das ist die einzige wirkliche Wahrheit. Ich weiß es nicht.«
Shaarilla nickte, und auf ihrem Gesicht leuchtete ein rätselhaftes Mitgefühl. Doch Elric bemerkte ihren Blick nicht, waren doch seine Augen voller kristallklarer Tränen, die ihm über das hagere weiße Gesicht strömten und ihm vorübergehend Kraft und Willen raubten.
»Ich bin ein besessener Mann!« ächzte er. »Und ohne meine Teufelsklinge
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