Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zauber einer Winternacht

Der Zauber einer Winternacht

Titel: Der Zauber einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CATHLEEN GALITZ
Vom Netzwerk:
Schlittenmodell stand. Er hatte schon immer eine Schwäche für schnelle Maschinen gehabt – egal ob Autos, Motorräder oder Motorschlitten. Das Modell war mit allem nur denkbaren Schnickschnack ausgestattet und hatte sagenhafte 185 PS. Entsprechend beeindruckend war auch die Zahl auf dem Preisschild.
    „Inklusive VPV“, grinste Sid ihm zu.
    Bryce lachte leise. VPV war das lokale Insiderkürzel für Virtuelle Penisvergrößerung und kennzeichnete die Käuferschicht für Motorschlitten dieser Art: Egomanen mit deutlich mehr Geld als Verstand.
    „Früher hätte dieses Baby hier monatelang rumgestanden und Staub angesetzt, bevor sich irgendwer dazu durchgerungen hätte, so viel Kohle dafür hinzulegen“, meinte Sid. „Heute hab ich Mühe, genug davon am Lager zu haben, damit ich nicht ständig ausverkauft bin.“
    Während Gillian sich in eine Umkleidekabine zurückzog, um einen Schneeanzug anzuprobieren, informierte Sid Bryce über die gewaltigen Veränderungen im Tal.
    „Traditionell bewirtschaftete Ranches wechseln für Millionen den Eigentümer, werden aufgeteilt und als ‚Ranchettes‘ wieder verkauft.“
    Er spuckte das Wort verächtlich aus. „Ich hab was läuten hören, dass irgendein Großkotz sich auch Moon Cussers unter den Nagel reißen möchte, um die Ranch in profitablen Häppchen zu verscherbeln.“
    Bryce presste die Lippen zusammen. „Meinst du, John weiß davon?“
    „Wohl kaum.“
    Moon Cussers – der Name der Ranch von Gillians Vater – bedeutete: Männer, die den Mond verfluchen. Er erinnerte eher an Piraten als an Cowboys und ging auf Strandräuber zurück, die an den Küsten Neuenglands irreführende Leuchtfeuer errichteten, um Schiffe auf die Klippen zu locken und anschließend die Wracks zu plündern. Sie verfluchten den Mond, denn ihr Treiben wurde bei Vollmond offensichtlich.
    Johns Urgroßvater stammte ursprünglich aus Maine. Gerüchte besagten, er habe als Viehdieb angefangen, bevor er zu einem geachteten Rinderbaron wurde, und auch er habe den Mond verflucht. Bei Vollmond war es nämlich wesentlich schwerer, fremde Rinder unbeobachtet einzufangen und mit neuen Brandzeichen zu versehen.
    Gillian und Bryce genossen schließlich jeder noch einen Becher dampfend heißen Kaffee und eine gewaltige Zimtrolle, bevor sie sich, ausgerüstet wie Polarforscher, auf den Weg zur Ranch machten. Sie hatten nur etwa dreißig Kilometer Strecke vor sich, aber Gillian wusste: Wie viel Zeit sie brauchen würden, hing vom Wetter ab. Von einer halben Stunde bis über zwei Stunden war alles drin, und manchmal war gar kein Durchkommen mehr möglich.
    Ihre letzte Motorschlittenfahrt lag lange zurück. Sie genoss es, endlich wieder unmittelbar offenem Himmel und endloser Weite ausgesetzt zu sein. Ihre Schwestern verabscheuten diese unbequeme Art zu reisen, doch Gillian konnte sich kaum etwas Schöneres vorstellen. Die Fahrt auf dem Motorschlitten vermittelte ihr ein Gefühl grenzenloser Freiheit und Stärke.
    Bryce zog schwungvoll an ihr vorbei, und sie gab ebenfalls Gas. Wenn er sich ein Rennen mit ihr liefern wollte – gerne. Sekunden später lag Gillian wieder vorn und wedelte vor seiner Nase herum, um ihn herauszufordern. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie seine Maschine aufschloss und er zum Überholen ansetzte.
    Denkste, an mir kommst du nicht vorbei!
    Als sie das Tor erreichten, das an der Grenze zum Besitz ihres Vaters stand, bog Gillian von dem zerfurchten Fahrweg ab. Nirgendwo sonst in Nordamerika gab es so viel Elche wie hier, und dementsprechend schmückten zwei mächtige Elchgeweihe den Torbogen. Unberührter, blendend weißer Schnee lag vor ihnen. Gillian und Bryce kurvten über offenes Weideland, spielten dabei Katz und Maus miteinander und genossen die endlose Weite.
    Ein Kojote sprang aus einem kleinen Hain kahler Espen hervor und hetzte hinter einem Schneeschuhhasen her. Wenn der Hase sich nicht bewegt hätte, wäre er in seinem Winterfell kaum zu entdecken gewesen. Gillian schnitt dem Kojoten den Weg ab. Er kläffte erschrocken auf und suchte sein Heil in der Flucht, während sie ihren Schlitten abbremste.
    „Das war für Mr. Floppers!“, rief sie dem Tier nach. Vor vielen Jahren war ihr geliebtes Zwergkaninchen direkt vor ihrem Schlafzimmerfenster einem Adler zum Opfer gefallen. Der Kojote hatte zwar nichts damit zu tun, aber aufgrund dieser Erinnerung würde ihr Herz immer für die Hasen schlagen.
    Doch jetzt verkrampfte sich ihr Herz, als sie entdeckte, dass Bryce inzwischen

Weitere Kostenlose Bücher