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Der Zauber einer Winternacht

Der Zauber einer Winternacht

Titel: Der Zauber einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CATHLEEN GALITZ
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hinter ihr den Berghang hinaufjagte. Er wirkte so winzig vor dem dunklen Wald. Und so ungewohnt verwundbar.
    Weiter oben geriet er in Pulverschnee. Hatte sie sich eben noch über seine Neigung, sich vor ihr aufzuspielen, amüsiert, so bekam sie es jetzt mit der Angst zu tun. Wenn die schwere Maschine nun umkippte und mit ihm den Hang hinunterrollte! Sie schaltete ihren Schlitten aus, nahm den Helm ab und wartete. Zu ihrer Erleichterung kam Bryce wenig später neben ihr zum Stehen. Er sah aus wie ein Schneemann.
    Als er den Helm abnahm, fiel ihr wieder einmal auf, dass seine Augen die gleiche Farbe hatten wie der Himmel über ihnen. Sie strahlten vor Vergnügen. Genauso hatte er als junger Mann ausgesehen, damals, als sie sich in ihn verliebt hatte.
    „Du hast da was am Auge“, sagte er, zog einen Handschuh aus, streifte eine dicke Schneeflocke von ihren Wimpern und ließ den Zeigefinger über ihre Wange gleiten. Gillian erschauerte, und das hatte nichts mit der Kälte zu tun.
    „Wir sollten uns lieber beeilen“, sagte sie und setzte ihren Helm wieder auf. „Die dicken Wolken da hinten gefallen mir gar nicht.“
    Doch das seltsame Grollen in der Luft, das immer lauter wurde, hatte nichts mit den Wolken zu tun. Für ein Gewitter war es viel zu kalt. Erst als die Windschutzscheibe ihres Motorschlittens zu vibrieren begann, begriff Gillian, in welcher Gefahr sie schwebten.
    „Eine Lawine!“, schrie Bryce.
    Unmittelbar über ihnen am Berg brach ein gewaltiges Schneebrett ab und stürzte über die Klippen. Wie in Zeitlupe und scheinbar harmlos rutschte es talwärts, aber Gillian wusste, dass die Schneemassen sie innerhalb weniger Minuten mit der Wucht eines Bergrutsches treffen würden.
    „Mir nach!“, rief Bryce, lenkte seine Maschine vom Berg weg und drehte sie voll auf.
    Gillian gab ebenfalls Gas und lehnte sich dabei nach vorn, als wolle sie ihren Schlitten antreiben, hinaus auf den zugefrorenen See, der vor ihnen lag. Sie wagte es nicht, sich umzuschauen. Hinter ihnen verschwanden gewaltige Felsblöcke unter den herabdonnernden Schneemassen, und Bäume wurden umgeknickt wie Streichhölzer.
    Der tosende Lärm übertönte das warnende Knacken des Eises unter ihren Schlitten. Wasserfontänen spritzten hinter den Kufen auf. In weniger als fünf Minuten überquerten Bryce und Gillian den See, auf dessen viel zu dünne Eisdecke sie sich eigentlich niemals hätten wagen dürfen.
    Am anderen Ufer waren sie erst einmal in Sicherheit. Bryce bremste vor ihr ab und hielt an.
    „Gillian!“ Er ließ seinen Helm fallen, sprang vom Schlitten und wollte zu ihr laufen, aber der Schnee lag fast zwei Meter hoch. Bryce versank bis an die Schultern und musste sich zu ihr durchkämpfen. Die hauchdünne Grenze zwischen Liebe und Hass löste sich auf, durch die Tränen sah Gillian die Schneelandschaft nur noch verschwommen. Sie riss sich den Helm vom Kopf, rutschte von ihrem Schlitten und streckte die Arme nach Bryce aus. Ihre Fingerspitzen berührten sich, und dann umklammerten sie einander wie Ertrinkende.
    „Alles in Ordnung?“, fragte Bryce.
    Seine unglaublich zärtlich klingenden Worte hallten in der Stille wider und nisteten sich tief in Gillians Herzen ein. Sie konnte nur nicken. Ihre Stimme verweigerte ihr den Dienst.
    Sehnsüchtiges Verlangen erfüllte jede Faser ihres Körpers, als Bryce sich über sie beugte. Die ungezähmte Leidenschaft, mit der er sie küsste, hätte sie unter anderen Umständen zu Tode erschreckt. Jetzt aber reagierte sie genauso wild und drang mit der Zunge zwischen seine Lippen, um seine Wärme voll auszukosten. Gillian gab sich ganz diesem Moment hin, schloss die Augen und öffnete ihm die Tür zu ihrem Herzen.
    Sie nahmen die Schneeflocken, die um sie herum fielen, nicht mehr wahr, es schien nur noch sie beide auf der Welt zu geben. Tief atmete Gillian den herben Duft seines Rasierwassers ein. Sosehr sie sich auch bemüht hatte, sie hatte diesen Duft nie vergessen können.
    Alles, was sie ihm immer hatte sagen wollen, aber nicht in Worte fassen konnte, schien jetzt dieser eine, brennende Kuss auf magische Weise zum Ausdruck zu bringen.
    Dann löste Bryce sich von ihr und räusperte sich. „Es … es tut mir leid. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.“ Gezwungen lächelnd fragte er: „Was meinst du: Wollen wir dich lieber nach Hause bringen, bevor noch mehr passiert?“
    Nach Hause!
    Bei dem Gedanken wurde ihr warm ums Herz. Sie wohnte Hunderte von Kilometern entfernt, aber zu Hause war

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