Der Zauber einer Winternacht
verrieten, dass er sich ehrlich über den Besuch seines Exschwiegersohns freute.
„Ihr könnt euch nicht vorstellen, was es mir bedeutet, dass ihr hier seid“, sagte John. „Weihnachten taugt einfach nichts ohne die Familie.“
Dieses Bekenntnis wärmte Gillian mehr als ein offenes Kaminfeuer. Um ehrlich zu sein, hatte sie sich ein wenig Sorgen gemacht, wie sie wohl empfangen werden würde. Das letzte Telefongespräch mit ihrem Vater war in einen heftigen Streit ausgeartet. John Baron hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass Gillian seiner Meinung nach einen schweren Fehler begangen hatte: Sie hätte sich nie von dem Mann scheiden lassen dürfen, den er wie einen Sohn betrachtete.
„Was hat euch aufgehalten?“, fragte er.
„Das ist eine längere Geschichte. Können wir vielleicht etwas Heißes zu trinken bekommen, bevor wir erzählen?“, fragte Bryce.
„Aber klar doch!“ John eilte nach nebenan, um einen heißen Punsch für sie aufzusetzen. In der Zwischenzeit schälte Gillian sich vor dem Kamin aus ihren nassen Kleidern. Bryce hingegen angelte erst einmal sein Handy aus der Tasche und rief seine Verlobte an, noch bevor er die Stiefel auszog.
Gillian wollte nicht lauschen, aber er musste beinahe in den Hörer schreien, um sich verständlich zu machen. Er ging zum Fenster hinüber, offenbar in der Hoffnung, dass dort der Empfang besser war.
„Ich bin’s, mein Schatz“, sagte er. „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für dich. Zuerst die gute: Wir sind heil auf der Ranch angekommen. Die schlechte: Ich weiß nicht, wie lange wir hier festsitzen werden. Ich sage das nur ungern, aber eine Lawine hat uns von der Außenwelt abgeschnitten, und ich habe keine Ahnung, ob ich rechtzeitig zu Weihnachten nach Hause kommen kann. Es tut mir leid.“
Gillian hätte ihm am liebsten das Telefon aus der Hand genommen und Vi persönlich um Entschuldigung gebeten. Robbies enttäuschtes Gesicht stand ihr deutlich vor Augen. Sie fühlte sich äußerst unwohl dabei, Bryce von seiner neuen Familie fernzuhalten. Natürlich entging ihr nicht, wie sorgfältig er die aufregendsten Einzelheiten ihrer Reise – zu denen auch ein Kuss zählte, den Gillian immer noch auf ihren Lippen spürte – umschiffte, um seine Verlobte nicht zu beunruhigen.
„Ich tue, was ich kann, um schnellstmöglich nach Hause zu kommen“, versprach er. „Ich will nur sichergehen, dass hier wirklich alles erledigt ist, bevor wir John wieder allein lassen. Und es kann ein paar Tage dauern, bis der Weg geräumt und passierbar ist. Ich rechne sogar damit, dass man sich entschließt, ein paar Schneebretter zu sprengen, damit es nicht zu weiteren überraschenden Lawinen kommt.“
Sein Gesichtsausdruck verriet Gillian, dass er die Frau am anderen Ende der Leitung nicht nur gern hatte, sondern geradezu vergötterte.
„Ich liebe dich auch!“ Damit war das Gespräch beendet.
Gillian wandte sich rasch ab. Er hätte ihr sonst angesehen, was sie bei seinen Worten empfand. Eigentlich neigte sie nicht zur Eifersucht, aber es fiel ihr trotzdem schwer, Bryce das neu gefundene Glück nicht zu neiden.
Als ihr Vater mit drei dampfenden Punschgläsern zurückkam, hockte sie in Unterwäsche vor dem Kaminfeuer und massierte sich den Po, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. Vi würde sich bestimmt nie so lächerlich präsentieren … Zum Glück verzichtete Bryce darauf, sich über ihre langen rosa Unterhosen lustig zu machen.
Während er John von ihrer abenteuerlichen Schlittenfahrt berichtete, genoss Gillian den heißen Punsch. Sie schaute aus dem Fenster und beobachtete, wie der sacht fallende Schnee die Landschaft in einen dicken weißen Pelz hüllte. Im schwindenden Licht des Wintertages warfen die Kiefern lange Schatten über den Hof.
Auch ihre Gedanken waren düster.
Sie drehte ihr Glas zwischen den Händen hin und her und überlegte fieberhaft, wie sie die Frage nach dem Befinden ihres Vaters möglichst unverfänglich stellen konnte. Sie wollte nicht, dass er gleich an die Decke ging. Zwar hatte er sich bereit erklärt, mit ihr und Bryce über seine gesundheitlichen Probleme zu sprechen, aber trotzdem bestand die Gefahr, dass es zum Streit kam.
„Ihr habt Glück, dass ihr noch am Leben seid“, stellte John fest, als Bryce seinen Bericht beendet hatte.
Gillian holte tief Luft. Jetzt oder nie!
„Wo wir gerade über gefährliche Situationen sprechen: Ich mache mir Sorgen um dich, weil du ganz allein hier draußen lebst. Was
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